Teil 1
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Das »Schiffbruch-Spiel«
Absicht: |
Einstieg in das Thema »Werte« durch ein Rollenspiel,
dass die Teilnehmer in die Lage versetzen sollte, unterschiedliche Handlungsantriebe
zu erkennen und zu vergleichen. Das Spiel beweist, dass nur bedingungsloser
gegenseitiger Respekt für alle Beteiligten langfristig die größte
Zufriedenheit bringt. |
Aufwand: |
Vorbereitung groß, Aktion mind. 3 Stunden - aber es lohnt sich! |
Ort: |
Wald oder Wiese, Sitzgelegenheit |
Einblick |
siehe weiter unten |
Erfahrungsbericht |
siehe weiter unten |
Einblick
Sämtliche Materialien zu dieser Aktion finden
Sie ausführlich als pdf-Datei unter »Druckversionen«
Bei diesem Spiel handelt es sich um ein recht aufwendiges, - aber auch
um ein sehr aussagekräftiges Rollenspiel, welches zudem viel Spaß
macht. Wenn es gelingt, die Kinder auf die Spielregeln einzuschwören
und zu engagiertem Schauspiel anzuregen, ist das Ergebnis - wie ich meine
- wirklich beeindruckend!
Mittels einer Fantasy-Geschichte über zwei Geister,
die ein Experiment mit einigen Menschen durchführen wollen, gelingt
der Einstieg leicht und der Sinn des Spieles wird bereits offensichtlich.
Es geht darum, dass der »Zeitgeist« - der
das Schicksal der Menschen willkürlich bestimmen kann - dem »großen
Geist« - der den Menschen ihre Handlungsantriebe einimpft - vorschlägt,
einen Schiffbruch zu inszenieren, bei dem sechs ganz verschiedene Menschen
überleben. Doch damit nicht genug: Exakt die gleiche Situation mit
den gleichen Beteiligten soll dreimal hintereinander stattfinden. Nur mit
dem Unterschied, das jedesmal eine andere Stimmung die Gruppe leitet. Beim
erstenmal ist die pure Selbstsucht, beim zweiten Mal ein eigennützig-zweckdienliches
Miteinander und beim dritten Mal die vollkommene Selbstlosigkeit.
Dies erfahren die Kinder jedoch nicht! Sie sollen anhand
ihrer vorgegebenen Rollen erkennen, welche Stimmung vorherrscht und vor
allem: Welche Auswirkungen sie auf das Wohlergehen jedes einzelnen und
auf das der ganzen Gruppe haben. Mit Hilfe eines einfachen Bewertungsschemas
(»Glücksbohnen« und »Blödbohnen«) wird
dieses Wohlbefinden messbar.
Am Ende des Spieles wird so eindrucksvoll belegt, dass
nur eine Atmosphäre bedingungsloser Hilfsbereitschaft sowohl jedem
Einzelnen, als auch der ganzen Gruppe das größte Wohlbefinden
bringt. Welche Werte im Einzelnen dahinterstehen, ist Thema von Teil 2.
Wenn Sie dieses Spiel nachempfinden möchten, finden Sie eine detaillierte
Beschreibung unter »Druckversionen«.
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Erfahrungsbericht vom 04.09.2002
An
diesem Tag hatte ich mich mit »meinen« Frechdachsen auf unserem
kleinen Pachtgrundstück - genannt »Natur-Reservat« verabredet.
Mitten im Reservat befindet sich eine Wiese mit einer Bank um eine Feuerstelle.
Dieser Ort war für das Spiel ausgezeichnet geeignet. Leider war das
Wetter nicht so gut.
Meine Vermutung, sehr viel Zeit auf eine gründliche
Vorbereitung und Einstimmung der Kinder zu verwenden, war absolut richtig
gewesen! Durch die vorangestellte Geschichte ließ sich die Neugier
der Kinder tatsächlich dämpfen, weil schnell klar wurde, wozu
die ganzen Gegenstände da waren und welche Art Spiel sie erwartete.
Als wir mit der ersten Szene begannen, bestand jedoch
ein sehr großer Erklärungsbedarf, weil einige Kinder noch nicht
richtig verstanden hatten, wann sie was mit ihrer Aufgabe anfangen sollten.
Auch nachdem alle Fragen geklärt waren, erwies sich der Start als
recht träge und ich befürchtete bereits ein Scheitern des ganzen
Spieles.
Doch schon nach der ersten Szene stellten sich die Kinder
auf ihre Rollen ein und verstanden, was ich von ihnen erwartete. Szene
2 war schon viel flüssiger. Fast alle wussten, worauf es ankam und
ab Szene 3 wurden die schauspielerischen Talente der Kinder deutlich sichtbar.
Vielleicht wäre es sinnvoll gewesen, vor der ersten
Szene eine Art Testrunde mit eigenen Aufgabenzetteln durchzuführen?
Dazu fehlte jedoch leider die Zeit. Überhaupt kam ich mit zwei Stunden
nicht hin und wir mussten eine Runde auf einen anderen Tag verschieben.
Überraschend einfach gestaltete sich die Punktevergabe:
Bereits nach der ersten Szene wussten alle Kinder, was sie tun mussten.
Dabei freute es mich besonders, dass sich alle intensiv mit ihrer Rolle
auseinandersetzten und sich sichtbar Mühe gaben, sich und die anderen
Mitspieler fair zu bewerten! Schon dadurch wusste ich, dass das Spiel ein
voller Erfolg und die Auswertung tatsächlich aussagekräftig werden
würde. Da es die Premiere des Spieles war, konnte ich vorher nicht
wissen, ob sich die erwarteten Ergebnisse wirklich so einstellen würden.
Doch zum Glück ging meine Rechnung auf - mehr noch: Deutlicher konnten
die Zahlen kaum sein:
Das Verhalten der Schiffbrüchigen im ersten Durchlauf beruhte auf
blanker Selbstsucht: Jeder nach seinen Fähigkeiten, ausschließlich
zum eigenen Vorteil ohne Rücksicht auf die anderen.
Natürlich merkten die Kinder sehr schnell, welcher
Geist hier herrschte und ich registrierte bei einigen durchaus eine spürbare
Freude, sich in ihrer Rolle so hemmungslos unmoralisch verhalten zu dürfen.
Das schlug sich natürlich auch in den Bewertungen nieder. Wer erfolgreich
»sein Schäfchen ins Trockene geholt hatte«, der gab sich
fünf Glücksbohnen, während er die anderen meist argwöhnisch
geringschätzte und entsprechend aburteilte. Ich war sehr gespannt,
wie das Ergebnis dieser ersten Runde ausfallen würde. Doch - wie gesagt
- es war eindeutig: Im Endeffekt ging es sowohl dem Einzelnen,
als auch der ganzen Gruppe gefühlsmäßig nicht besonders
gut. Die guten Eigennoten beim Dieb und beim Zimmermann z.B. wurden durch
die Aburteilungen der anderen mehr als »aufgefressen«. So erreichte
der Dieb mit +11 Glückspunkten noch den höchsten Wert, während
die anderen noch knapper über der Null oder gar darunter waren. Die
Addition ergab eine Gesamtsumme von -2 (= 2 Blödbohnen) für die
gesamte Gruppe. Auch unabhängig von den Wertungen war allen Kindern
sofort bewusst, dass man sich auf diese egoistische Weise auf Dauer nicht
wohlfühlen kann - trotz der »schönen Schadenfreude«.
Für die zweite Runde (die ich leider aus Zeitgründen zu einem
späteren Termin nachholen musste) hatte ich versucht, das uns vertraute
Bild wiederzugeben: Menschen, die zwar in erster Linie eigennützig
handeln, die jedoch durchaus fähig sind, Rücksicht auf andere
zu nehmen, weil ihr Verstand ihnen sagt, dass man oftmals nur gemeinsam
ein Ziel erreichen kann. Wie in Wirklichkeit brachte ich auch das Geld
mit ins Spiel, mit dem man ja bekanntermaßen auch gute Taten entlohnen
kann und so einen Anreiz schafft, etwas für Andere zu tun.
Die Kinder fanden sich sehr schnell in diesem »Geist«
zurecht und erkannten das Prinzip von »Helfen und Gegenleistung«.
Am Ende lagen alle Mitspieler im Glücksbohnen-Bereich; die Werte lagen
zwischen +7 Punkten beim ängstlichen Bäcker bis zu +35 Punkten
beim bescheidenen Mönch. Noch deutlicher war das Gruppenergebnis mit
+102 Punkten! Den Kindern war allerdings aufgefallen, dass das Wohlbefinden
sehr stark von der Situation abhing: Erst, als es Probleme gab, die die
ganze Gruppe betrafen (Angriff der Eingeborenen und Entdeckung des Bootes),
waren alle viel eher bereit, zusammenzuarbeiten und ihre Vorbehalte gegen
die anderen aufzugeben.
Mit großer Spannung erwartete ich Runde Drei, wo der »Geist
der vorbehaltslosen und mitfühlenden Uneigennützigkeit«
herrschen sollte. Ich merkte jedoch schnell, dass sich manche Kinder mit
ihrer Rolle schwer taten.
Obwohl sie sofort erkannten, dass es allen bei diesem
Verhalten am besten ging, konnten sie nicht so recht aus ihrer Haut. Ein
Dieb ist eben ein Dieb und ein Schwächling ein Schwächling -
es kostet Überwindung, seine Vorurteile einfach fallenzulassen und
sich selbst in den Hintergrund zu rücken. Da die Aufgabenzettel jedoch
keinen Spielraum für ein anderes Verhalten ließen, mussten sich
eben alle »outen«. Die Kinder überspielten ihre Unsicherheit
durch ein recht chaotisches Palaver, bei dem sie sich mit allerhand albernen
Gesten gegenseitig Hilfe anboten. Das Ergebnis jedoch sprach für sich
selbst: Der niedrigste Einzelwert war immer noch höher als der bisher
höchste Einzelwert in den beiden vorangegangenen Runden! Alle Spieler
fühlten sich ausnahmslos wohler als vorher. Gesamt erzielte die Gruppe
+279 Glückspunkte und erzielte damit deutlich mehr als doppelt soviel
Wohlbehagen wie in Runde Zwei!
Ich
habe mich riesig gefreut, dass ich auf diese unterhaltsame und lustige
Weise einen messbaren Beweis erbringen konnte, dass ein Verhalten wie in
Runde Drei für alle Menschen das Beste wäre. Die Umsetzung eines
solchen Verhaltens scheint jedoch trotz besseren Wissens schwerer zu sein,
als ich annahm. Das machten die unsicheren Kinder in der dritten Runde
deutlich. Der Eigennutz ist unser ursprünglicher Antrieb - so haben
wir es auch in den Denkmodellen formuliert - und es erfordert eine starke
Wertelehre, um diesen Antrieb in Bahnen zu lenken, die allen Menschen und
letztendlich dem ganzen System Erde nutzen. Den Kindern gegenüber
habe ich es so ausgedrückt:
»Wie ihr gesehen habt, will jeder Mensch glücklich
sein, egal, ob Geschäftsmann oder Dieb, Arzt oder Mönch. Wenn
jeder Mensch versuchen würden, ganz uneigennützig seine Mitmenschen
ein bisschen glücklicher zu machen, würde er dies automatisch
auch selbst bekommen - durch die anderen Menschen, die ihn wiederum glücklich
machen wollen. Auf diese Weise erlangt man das ersehnte eigene Glück,
ohne anderen Menschen zu schaden.«
Mein nächstes Ziel war es nun, die Werte zu definieren, die hinter
einem solchen Verhalten stehen. Lesen Sie dazu Teil Zwei.
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