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Abosch, Heinz

1918 - 1997, dt.-jüd. Journalist und Publizist. Emigrierte 1933 nach Frankreich, wo er am Widerstand gegen das Dritte Reich teilnahm. Veröffentlichte verschiedene sozialkritische und politische Bücher.

Zitate und Literatur:
Zitate:


Ziehen wir eine historische Bilanz, so ist der Höllensturz der ... großen Erlösungsideen unabweislich. Das Zerbrechen der geistigen Systeme ist nicht zu leugnen... Erschüttert ist der Glaube an eine Bestimmung der Geschichte, sei es in Form kirchlicher Thesen, sei es in der philosophischen Darstellung eines Vernunftprozesses. ... Geht es nur noch schlicht darum zu leben, hektisch zu genießen, da nichts anderes mehr sich lohnt, alle Deutungen, Ziele, moralischen Regeln hinfällig geworden seien? ... der allzu überschwengliche Glaube an die Vernunft erwies sich als unbegründet, er war zu unkritisch sich selbst und den Sachen gegenüber. ... Notwendig ... ist eine Skepsis, die sich auf Vernunft gründet, ohne sie zu übersteigern. ... [Lit. 1, Seite 7 - 8]

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 ... Wohlstand genießt nur ein relativ kleiner Teil der Menschheit in Nordamerika, Westeuropa und Japan, ein Zehntel der Gesamtheit. Er wurde egoistisch und rücksichtslos erworben. Von den positiven Resultaten verspürte die Mehrzahl nichts, oder sie erlebte allein die Nachfolgelasten der industriellen Entwicklung in anderen Regionen. ... [Lit. 1, Seite 128]

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 ... Die massivste Wirkung erzielt das Fernsehen, das bei der Zerstörung der Familienbeziehungen ansetzt, Gespräche verdrängt und individuelle Ausdrucksweise durch die Schablone der TV-Sprache ersetzt. In der modernen Industriegesellschaft zirkulieren unübersehbare Mengen von Informationen, die Gesellschaft rühmt sich ihrer Informiertheit und ihres Wissens. Der Wissensstoff verdoppelt sich alle zehn Jahre, der Medienkonsument wird mit Nachrichten aus aller Welt überschüttet, keine Katastrophe entgeht ihm, jedes Geschehen wird in Bilder und Sensationen umgesetzt. ... doch zugleich muß man fragen, ob ihre Kenntnisse wirklich zugenommen haben. Tatsächlich bleibt vieles an der Oberfläche, die Menschen begnügen sich mit dem Schein des Wissens, so daß nichts so deutlich ist wie ihre Verwirrung. ... Als wichtigstes Medium ist das Fernsehen der machtvollste Mythenproduzent, der die Welt ... als eine Projektion von Märchen, von Träumen, von aufregenden Sensationen darstellt. ... Dem eigenen Anspruch, Wirklichkeit darzustellen, widerspricht das Fernsehen beständig. ... der Ausdruck >seriöses Fernsehen< (ist) ein Widerspruch in sich...  [Lit. 1, Seite 140]

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... Widerlegt wurde die optimistische wie die pessimistische Deutung des Menschen, beide verfehlen die Wahrheit (Anm.: die Mitte): die Optimisten, weil sich ihr idealer Anspruch nicht durchsetzen läßt, die Pessimisten, weil sie (im besten Fall) alles beim Alten lassen und im Grunde von der unveränderlichen Bosheit der Menschengattung überzeugt sind. ... 
[Lit. 1, Seite 103]

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... Das Washingtoner Worldwatch-Institut hat im Januar 1992 konstatiert, daß »die ökologische Lage schlimmer denn je« sei; nur eine »Umweltrevolution« - die Umstellung des Energieverbrauchs von Kohle und Erdöl auf Sonne und Wind, eine Stabilisierung der Weltbevölkerung und ein neuer Lebensstil - könne Abhilfe schaffen. Die Verantwortung der Industriestaaten ist besonders groß, weil sie mit einem Viertel der Weltbevölkerung 85 Prozent der Rohstoffe verbrauchen. ... Die Diskrepanzen werden auf Dauer unerträglich, menschliche Katastrophen und weltpolitische Konflikte kündigen sich an, womöglich verschärft durch Atomwaffen, ... Dennis MEADOWS, Mitverfasser der »Grenzen des Wachstums« , behauptet, es sei bereits zu spät, weil sich »die Umweltbedingungen schon so verschlechtert« hätten, »daß wir bald nicht einmal die gegenwärtige Weltbevölkerung ernähren können. ... Die Menschheit verhält sich wie ein Selbstmörder, und es hat keinen Sinn mehr, mit einem Selbstmörder zu argumentieren, wenn er bereits aus dem Fenster gesprungen ist.« Ist es zu spät, um noch etwas tun zu können? ... [Lit. 1, Seite 129 - 130] 

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... Da die gesamte Geschichte eine Summe von Grausamkeiten ist, die die Menschen abgestumpft als ein Unabwendbares zu registrieren gewohnt sind, vermag auch das monumentalste Verbrechen ... keine ernsthafte Erschütterung, keine echte moralische Umkehr zu bewirken. ... Die Gewöhnung an das Verbrechen führt zu seiner Akzeptanz. Die humane Reaktion, sich vom Grauen abzuwenden, manifestiert sich zur selben Zeit wie das kalte Kalkül derjenigen, die das Verbrechen aus politischen Gründen zu verdecken suchen. ... Berechtigt ist die Frage, wieviele Auschwitz die Menschheit noch ertragen kann, bevor die Kultur vollends zusammenbricht oder zur bloßen Farce der nackten Barbarei verkommt ... [Lit. 1, Seite 105]

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... Die entwickelten Industriegesellschaften - Systeme hoher Produktion und Konsumtion - verschaffen ihren Bürgern einen noch nie gekannten Le bensstandard, reichlichen Genuß und üppigen Komfort. Solche Bedingungen fördern nicht gerade geistige Wachsamkeit. Die Wähler nicht durch sorgenvolle Probleme verschrecken, sie statt dessen mit beruhigenden Parolen in den Schlaf wiegen: das wird zur Grundregel der Parteien. Um so intensiver geben sie sich Vordergründigem hin, werden bloße Apparaturen zur Sicherung von Macht und Einfluß. ... [Lit. 1, Seite 124]

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... Das herrschende Lustprinzip ist kurzfristig orientiert, weigert sich, die Zukunft in Betracht zu ziehen. Als der Club of Rome vor zwei Jahrzehnten Alarm schlug, wurde dies zunächst kaum ernst genommen, vielfach auch als übertriebener Angstschrei besonders sensibler Seelen belächelt. Das hat sich inzwischen geändert, mit Ironie wird heute dieser Thematik niemand mehr begegnen. ... [Lit. 1, Seite 127]

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... der Hang zu genießen ... (wird) übergroß. Auch die Neigung, darüber hinwegzusehen, mit welchen Kosten der Wohlstand erkauft wird: Beschädigung der Natur ..., Raubbau an den Rohstoffreserven, Zerstörung fremder Zivilisationen. Dies alles regt nicht auf, wird unmittelbaren Bedürfnissen geopfert, ohne die Folgen zu bedenken... Den Kopf kann man eine zeitlang in in den Sand stecken, aber einem bösen Erwachen dürfte man auf diese Weise nicht entgehen. Nichts Unangenehmes sehen noch hören noch denken: diese Moral entspricht der wollüstig genießenden Konsumgesellschaft. Nur keine Trübung des Lebensgenusses empfiehlt die Verkaufswerbung, und diese für die Konsumenten gültige Maßregel wird zum höchsten moralischen Prinzip. Die alle Klassen prägende Massenkultur hat sich vollends durchgesetzt; Medien, Sitten, Freizeit vereinen alle Schichten. Es gibt Außenseiter, ... die dem Trend widerstehen. Aber es ist eine Minderheit, die oft das Gefühl hat, auf verlorenem Posten zu stehen. ...  [Lit. 1, Seite 126]

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... Das Abenteuer findet bequem im Lehnstuhl statt, der Genuß der von den Experten aufbereiteten künstlichen Welt ist beruhigender als der Kontakt mit der wirklichen Welt. ... Das lockende Angebot verspricht Glück, tatsächlich geschieht das Gegenteil. Triebe werden gereizt, doch die Erfüllung bleibt versagt. Je mehr Waren man erwirbt, desto banaler wird der Kaufakt, desto enttäuschender das Erworbene. ... Noch nie hat die Gesellschaft so viele Produkte erzeugt, so viele Bedürfnisse befriedigt - und dennoch herrscht weniger Zufriedenheit als Frustration. Man besitzt zwar viel, aber man will noch mehr besitzen - ... [Lit. 1, Seite 152]

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Literatur:

1. Abosch, Heinz
»Das Ende der großen Visionen«
1993 - Junius, Hamburg