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Glasenapp, Helmut von

1891 - 1963, dt. Indologe und einer der bedeutendsten vergleichenden Religionswissenschaftler. Zahlreiche Bücher über alle großen Weltreligionen.

 

Zitate und Literatur:
Zitate:

... Die fünf großen Religionen scheiden sich in zwei Gruppen: in solche, die östlich, und solche, die westlich vom Hindukusch(-Gebirge) entstanden sind. 

Die östlichen lassen sich als »Religionen des ewigen Weltgesetzes« charakterisieren, weil nach ihnen die Welt ewig ist; sie hat keinen ersten Anfang und kein definitives Ende, sondern erneuert sich unaufhörlich im Wege sukzessiven, wechselnden Entstehens und Vergehens. Sie wird von einer ihr immanenten Gesetzlichkeit beherrscht, die von selbst alles Geschehen in ihr bedingt. ... 

Die westlichen Religionen der »geschichtlichen Gottesoffenbarung« machen ... die Existenz des Kosmos und seiner Bewohner von dem Wirken eines von der Welt verschiedenen und ihr unendlich überlegenen persönlichen Gottes abhängig, der alles aus dem Nichts ins Dasein berufen hat und alles autonom mit unbeschränkter Machtvollkommenheit, gemäß seinem unerforschlichen Ratschluß, nach einem festen Plan regiert. Für sie ist die Welt einmal zu einem bestimmten Zeitpunkt geschaffen worden und wird auch einmal ein Ende finden. ... [Lit. 1/ Seite 9 - 10]

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... Die Annahme des Daseins eines persönlichen Weltregierers ist den Christen und Mohammedanern nicht freigestellt, sondern sie ist die unerläßliche Vorbedingung für die Zugehörigkeit zu diesen Bekenntnissen. ... [Lit. 1, Seite 217]

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... Gott ist ein persönliches Geistwesen (Joh 4,24), unermeßlich, allgegenwärtig, allwissend, allweise, allmächtig, der Schöpfer der Welt und der Urheber der Ordnung, ihr Gesetzgeber und Richter. ... [Lit. 1, Seite 287]

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... Die Synode von Konstantinopel verkündete 381, daß Vater, Sohn und Heilige Geist nur eine Substanz seien, aber drei Hypostasen oder Personen darstellten. ... [Lit. 1, Seite 242]

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... Von der Gottesidee anderer Religionen unterscheidet sich die des Christentums vor allem dadurch, daß nach ihr in Gott drei Personen sind: Vater, Sohn und Heiliger Geist (zuerst Matth 28,19). Unter einer Person wird dabei eine Wesenheit verstanden, welche für sich gesondert existiert und Herr ihrer Handlungen ist. Die Lehre von der Dreifaltigkeit besagt daher, daß zwar Vater, Sohn und Heiliger Geist eine und dieselbe göttliche Natur oder Substanz haben, daß sie aber in anderer Hinsicht »voneinander unterschieden sind und für sich bestehend und mit Selbstbestimmung tätig auftreten«. Der Sohn ist vom Vater verschieden, weil er von ihm nicht in der Zeit, sondern von der Ewigkeit her erzeugt ist, der Heilige Geist wieder ist vom Vater und vom Sohne verschieden, weil er sowohl vom Vater wie vom Sohne her ausströmt, und zwar so, daß beide obwohl verschiedene Personen ihn durch ein und dieselbe Tätigkeit hervorbringen, »denn alles was der Vater besitzt, besitzt auch der Sohn«. Der Heilige Geist, das übernatürliche Prinzip alles höheren göttlichen Lebens in den Gläubigen, die Gottesmacht, die den Glauben erweckt, von Sünde reinigt und mit sittlichen Kräften erfüllt, wird ausdrücklich als eine Person gedacht und im Anschluß an Matth 3,16, Luk 3,22 unter dem Bild einer Taube mit Heiligenschein dargestellt. ... [Lit. 1, Seite 287]

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... Einer Darstellung der Lehre stehen beim Christentum ... größere Schwierigkeiten entgegen als bei den anderen Religionen, weil der Abendländer ... mit dem Christentum ... seit seiner Jugend in positiver oder negativer Weise so stark verknüpft ist, daß er Gefahr läuft, Unwesentliches in den Vordergrund zu rücken oder Wesentliches zurückzustellen. ... [Lit. 1 / Seite 286]

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... Entsprechend dem göttlichen Befehl, sich zu vermehren und sich die ganze Erde zu unterwerfen (Genesis 1,28), wuchs die Zahl der Menschen von Generation zu Generation, und sie breiteten sich über die ganze Erde aus. [Lit. 1, Seite 296]

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... (dass die Welt) zum Wohle des Menschen geschaffen worden ist. Daß die Erde und die Himmelskörper, die Tiere und die Pflanzen keinen Selbstzweck haben, sondern nur zum Wohle des Menschen da sind wird in 1. Mose 1,17ff.; 26ff. und 9,1-3 ausdrücklich betont. ... [Lit. 1, Seite 293]

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... Nach hinduistischem Glauben ist das Dasein und Schicksal eines jeden Einzelwesens eine notwendige Folge der Taten, welche es in einem früheren Leben vollbrachte. ... Die ungeheure Mannigfaltigkeit der Lebewesen, von den höchsten Göttern bis zu den niedrigsten Würmern, Insekten und Pflanzen, wird von den Hindus auf die ungeheure Mannigfaltigkeit der Taten zurückgeführt, welche vergolten werden müssen. ... [Lit. 1, Seite 23]

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... der Hinduismus ist nicht eine Religion, die von einer bestimmten Persönlichkeit gestiftet worden ist, ... Mit seiner Eigenschaft als »gewordener«, nicht »gestifteter« Religion hängt es zusammen, daß der Hinduismus keine fest umrissene Dogmatik besitzt, ... Vielmehr bleibt es dem einzelnen überlassen, ob er Atheist, Pan-en-theist oder Theist ist, ob er Vishnu oder Shiva als den Weltenlenker betrachtet usw. Ebensowenig sind bestimmte Theorien über die Entstehung der Welt oder ihre materiellen oder immateriellen Komponenten, über das Wesen der Seele und ihr Verhältnis zum Leib usw. allgemein verbindlich. ... [Lit. 1, Seite 16 - 17]

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... Nach der Anschauung der Hindus ist der Kosmos im Großen wie im Kleinen ein geordnetes Ganzes. Er wird beherrscht von einem Weltgesetz ..., das sich gleicherweise im sittlichen wie im natürlichen Leben manifestiert. ... [Lit. 1, Seite 19]

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... daß alle Vielheit aus der Einheit hervorgegangen sei. In den Brahma-Texten wird dieser Gedanke weiter fortgeführt. Das All-Eine, das den Urgrund von allem bildet und als innerster Kern alles Existierenden in allem verborgen ist, wird als das Brahma bezeichnet, als die »heilige Macht«, ... Das »Brahma«, das Absolute, das mit dem »Atman«, dem »Selbst«, als innerster Kern jedes Einzelwesens identisch ist, weil jedes Einzelwesen aus dem Allwesen hervorging, einen Ausdruck, der für das Denken aller Hindus bis heute maßgebend gewesen ist. ... [Lit. 1, Seite 35]

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... Die Weite seines Blickes zeigte sich vor allem darin, daß er erkannt hatte, daß der menschliche Geist weder zu einer Grenze des Raumes noch zu einem Anfangspunkt der Zeit, noch zu einer letzten ursachelosen Ursache vordringen könne. Wenn man sich vergegenwärtigt, daß noch vor 200 Jahren im Abendlande ein engräumiges und kurzfristiges Weltbild herrschte, daß die Welt vor 5000 Jahren geschaffen sein ließ und das baldige Ende aller Dinge erwartete, dann kann man nur die höchste Bewunderung einem Denker zollen, der schon vor 2500 Jahren ohne Kenntnis der Ergebnisse moderner astronomischer Forschung zu einer so großartigen Vorstellung vom Wesen der Welt gelangt ist. Aber auch in anderer Hinsicht muss Buddha zu denen gezählt werden, die sehr frühzeitig Gedanken ausgesprochen haben, zu welchen man erst sehr viel später im Westen kam. Er hat, darin ein Vorläufer von HUME und Mach, die Analyse des Menschen und der von ihm erlebten Welt, natürlich nicht im modernen wissenschaftlichen Sinne, sondern im Stil des Denkens seiner Zeit , bis zu den letzten Konsequenzen durchzuführen gesucht, er hat das untrennbare Verflochtensein aller Erscheinungen erkannt und deshalb an die Stelle des Prinzips von einer »Dosis Ursache, dem eine Dosis Wirkung folgt«, einen allumfassenden Konditionalismus gesetzt. Er ist auch - wie einige griechische Weisen des Altertums - schon in hohem Maße über den primitiven Standpunkt hinausgeschritten, auf welchem das, was ein Mensch oder eine Gruppe als Wert oder Unwert ansieht, fälschlich als allgemeingültiges betrachtet wird. Damit ist er ein Bahnbrecher des Relativismus gewesen, ohne darum aber doch von seinen ethischen Linien abzuweichen. Gemessen mit den Maßstäben nicht nur seiner Zeit, sondern aller Zeiten, war Buddha einer der ganz großen Denker, welche am tiefsten in das Wesen der Wirklichkeit eingedrungen sind und die Geistesgeschichte der Menschheit am nachhaltigsten beeinflußt haben. ... [Lit. 1, Seite 86 - 87]

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... In der Predigt von Benares führte der Erhabene aus, daß nicht die Hingabe an die Sinnengenüsse, noch auch eine übertriebene Selbstpeinigung, sondern der mittlere Weg einer maßvollen Weltentsagung zum Heil führt.  [Lit. 1, Seite 82]

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... Buddha glaubt also nicht, daß es ewige materielle Atome gibt, die sich zeitweise zu Körpern, Denkorganen usw. zusammenfinden und dadurch die Fülle der Erscheinungen der Wirklichkeit zustande bringen, wie die Materialisten, und ebensowenig erkennt er unsterbliche Seelen oder Geistmonaden an, welche, wenn der Körper zerfällt, unzerstörbar fortleben, ..., setzt Buddha also eine Anschauung entgegen, welche den ganzen Welt- und Lebensprozeß als ein Zusammenwirken von koordinierten Elementen deutet, die alle gleicherweise eine »dingliche« Existenz besitzen und am besten als »Kräfte« zu charakterisieren sind. ... Der Schein der Einheit wird dadurch hervorgerufen, daß die Dharmas so innig miteinander kooperieren und sich in ihrem Entstehen und Vergehen so schnell ablösen, daß wir uns dessen nicht bewußt werden. Denn die Dharmas der empirischen Welt sind in einer beständigen Unruhe begriffen, sie entstehen in Abhängigkeit von anderen, bestehen eine kurze Zeit und vergehen dann wieder um anderen Platz zu machen. ... [Lit. 1, Seite 91 - 92]

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... daß der Mensch samt der von ihm erlebten Welt nicht ein einheitliches Ganzes darstellt, sondern vielmehr aus zahllosen Einzelbestandteilen besteht, daß er eine Kombination vom Körperlichem, von Empfindungen, von Wahrnehmungen und Vorstellungen, von Triebkräften und von Bewußtseinsakten ist. [Lit. 1, Seite 91]

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... zur Voraussetzung die Kenntnis der vier edlen Wahrheiten über das Leiden, die Entstehung des Leidens, die Aufhebung des Leidens und den zur Aufhebung des Leidens führenden Pfad. Leidvoll ist alles, was durch den Lebenshang bedingt ist, die Ursache des Leidens ist der Durst, die Gier, die Aufhebung des Leidens geschieht durch das Sichbefreien von Durst, der praktische Weg dazu ist der edle achtfache Pfad: rechte Anschauung, rechte Gesinnung, rechtes Reden, rechtes Handeln, rechtes Leben, rechtes Streben, rechtes Überdenken, rechtes Sichversenken. ... [Lit. 1, Seite 82]

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... (Buddha bedeutet) der »Erwachte« und besagt damit, daß jemand ... aus der Nacht des Irrtums zum Lichte der Erkenntnis erwacht ist. Das Wesen eines Buddha besteht darin, daß er aus eigener Kraft sein Wissen erlangt hat, dieses also weder durch die Offenbarung eines Gottes noch durch das Studium heiliger Schriften oder durch die Unterweisung eines Lehrers gewann. ... [Lit. 1, Seite 74]

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... Die Geschichte des Buddhismus zeigt, daß eine Heilslehre, welche auf eine farbenprächtige mythologische Einkleidung und auf einen prunkvollen Kultus bewußt verzichtet, stets nur eine aristokratische Weisheitslehre für wenige sein kann. Den religiösen Bedürfnissen der großen Massen kann sie nur im begrenzten Umfange Genüge tun. Der Buddhismus mußte daher diesen entweder dadurch entgegenkommen, daß er den bisherigen Kultus der Religionen, welche vor ihm da waren, bestehen ließ, oder daß er selbst bei sich die Andachtsformen und sakralen Zeremonien einführte. ... [Lit. 1, Seite 141]

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... So zerfielen die Anhänger Buddhas von jeher in zwei Gruppen: 1. in die Laien, welche im Rahmen ihrer weltlichen Betätigung und ihres Familienlebens die fünf Gebote: nicht zu morden, nicht zu stehlen, nicht zu lügen, nicht die Ehe zu brechen und nicht berauschende Getränke zu sich zu nehmen beobachteten und 2. in die Mitglieder des »Sangha« (Ordens), ... welche diese Vorschriften in verschärfter Form durch Bewahrung völliger Keuschheit und Armut sowie durch Einhaltung bestimmter asketischer Regeln befolgten. ... Es ist notwendig sich zu vergegenwärtigen, daß dieser Gradualismus zu allen Zeiten ein Grundprinzip des Buddhismus wie aller auf der Wiederverkörperungslehre basierenden Systeme war. ... [Lit. 1, Seite 82 - 83]

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... Diese »T'aichi«, d. h. »Uranfang«, genannte Figur repräsentiert den Zustand des Universums, in welchem die positive und die negative Urkraft sich schon getrennt haben. Diesem Zustand geht ein anderer (Wu-chi, d. h. Nichts-Anfang) vorher, in welchem alle Unterschiede noch ungeschieden nebeneinander vorhanden sind. Er wird durch einen einfachen Kreis versinnbildlicht. Dieser Zustand des Alls ist nicht der des absoluten Nichtseins, sondern der eines potentiellen, noch nicht in die Erscheinung getretenen Seins, er bildet den notwendigen Ruhepunkt zwischen zwei Perioden des Weltbestandes, ... [Lit. 1, Seite 146]

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... die Welt (besteht) aus Li, einem geistigen Prinzip, der Vernunft, und Ch'i, dem materiellen Prinzip, der luftförmigen Substanz. Dem ersteren von beiden gebührt der Vorrang, es gilt auch als die Quelle der fünf Tugenden. Li ist unsichtbar, unbegrenzt und Quelle der Einheit, Ch'i ist sichtbar, begrenzt und Ursache der Vielheit. Es gibt kein absolutes Nichts. Auch in der großen Leere hat die Materie immer existiert, aber im Zustande völliger Ruhe, erst durch Li kam sie in Bewegung. Li und Ch'i sind seit Ewigkeit vereint und bildeten zuerst die große Einheit T'ai-Chi. Nach einer Weltperiode kehrt die Welt zum Chaos zurück, und der Weltprozess beginnt von neuem. T'ai-chi (Uranfang) ist nur ein anderer Name für Li und wird auch Wu-chi (Anfang des Nichts) genannt, was aber kein absolutes Nichts bedeutet sondern ein nur noch nicht in Erscheinung getretenes, noch nicht wahrnehmbares Sein. Indem die Materie, von der Vernunft bewegt, sich in Bewegung setzt, entstehen die beiden Erscheinungsformen Yin und Yang, die ... als ruhende und bewegte Materie aufgefaßt werden, und aus ihren verschiedenen Mischungen entstehen die fünf Elemente.  [Lit. 1, Seite 184]

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... Das Weltall besteht aus Himmel und Erde. Der erstere ist ein männliches Yang-Wesen, die letztere ein weibliches Yin-Wesen, er ist der Vater, sie die Mutter der »zehntausend Dinge«. Durch ihr Zusammenwirken bringen sie die Jahreszeiten und die organische Welt hervor, die sich später durch ihren Samen weiter fortpflanzt. Der Himmel ist Geist (luftartig), die Erde Körper. Der Himmel ist in unaufhörlicher Bewegung, die Erde in beständiger Ruhe, ... [Lit. 1, Seite 154]

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... Der konfuzianischen (Anm.: und taoistischen) Ethik liegt der Gedanke zugrunde, daß der Mensch von Natur aus gut ist und daß alles Böse an ihm durch mangelnde Einsicht entstanden ist. ... [Lit. 1, Seite 176]

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Literatur:

1. Glasenapp, Helmut
»Die fünf Weltreligionen«
1993 - 3. Auflage, Heyne, München
»Die« Einführung in die Weltreligionen, auf´s Wesentliche gebracht