Zitate:
»Da sich der schöpferische Prozeß außerhalb
des Bewußtseins abspielt und deswegen als eine Grenzerfahrung des
Ichs angesehen werden muß, ist jeder Versuch, sich diesem zentralen
Urwirbel zu nähern, ein Unternehmen und ein Unferfangen. Es gehört
zum Wesen eines solchen Wagnisses, daß (es) nicht durch den direkten
Zugriff des Bewußtseins begriffen werden kann, sondern daß
die betrachtete Mitte in der Art eines rituellen Umgangs, in einem umkreisenden
und einkreisenden Bemühen, von vielen Seiten zu fassen versucht werden
muß.« [Lit. 1, Seite 120]
*
»Über das Wort »Geist«
Das deutsche Wort »Geist« besitzt
einen dermaßen großen Anwendungsbereich, daß es eine
gewisse Mühe verursacht, sich zu vergegenwärtigen, was alles
damit gemeint ist. Als Geist bezeichnet man jenes Prinzip, das im Gegensatz
zur Materie steht. Darunter denkt man sich eine (nicht gegenständliche)
Substanz oder Existenz, die auf höchster und universalster Stufe »Gott«
genannt wird. Man stellt sich diese (nicht gegenständliche) Substanz
auch als Träger des psychischen Phänomens oder gar des Lebens
vor. Im Widerspruch zu dieser Auffassung steht der Gegensatz Geist - Natur.
Hier ist der Begriff des Geistes auf das Über- oder Gegennatürliche
eingeschränkt und hat die ... Beziehung zu Seele und Leben verloren.
...
Eine allgemein verbreitete Anschauung faßt
den Geist als ein höheres, die Seele aber als ein niedrigeres Tätigkeitsprinzip
auf, und umgekehrt gilt bei gewissen Alchemisten der Geist als »Band,
das Seele und Körper verbindet«, ... Ebenso allgemein ist die
Auffassung, daß Geist und Seele wesentlich dasselbe und deshalb nur
willkürlich zu trennen seien. ...
Bei anderen wird der Geist auf gewisse psychische
Vermögen oder Funktionen oder Eigenschaften beschränkt, wie Denkfähigkeit
und Vernunft gegenüber dem mehr »seelischen« Gemüt.
Bei diesen bedeutet der Geist die Gesamtheit der Phänomene des rationalen
Denkens respektive des Intellektes, inklusive Wille, Gedächtnis, Phantasie,
Gestaltungskraft und durch ideale Motive bedingte Strebungen. Eine weitere
Bedeutung von Geist ist die von »Geistreichsein«, worunter
ein vielfältiges, reichhaltiges, einfallsreiches, brillantes, witziges
und überraschendes Funktionieren des Verstandes gemeint ist.
Ferner wird als Geist eine gewisse Einstellung
oder deren Prinzip bezeichnet, zum Beispiel man erzieht »im Geiste
Pestalozzis«, oder »der Geist von Weimar ist das unvergängliche
deutsche Erbe«. Ein Spezialfall ist der Zeitgeist, welcher das Prinzip
und Motiv gewisser Auffassungen, Urteile und Handlungen (gemeinschaftlicher)
Natur darstellt....
Das deutsche Wort »Geist« hat wohl
mehr mit Aufschäumendem und Aufbrausendem zu tun, weshalb einerseits
eine Verwandtschaft mit Gischt, Gäscht, gheest, andererseits mit dem
emotionalen aghast nicht von der Hand zu weisen ist. Die Emotion wird ja
seit Urzeiten als Besessenheit aufgefaßt, und darum sagt man; heute
noch, von einem Jähzornigen zum Beispiel, er sei vom Teufel oder einem
bösen Geist besessen oder geritten oder ein solcher sei in ihn gefahren.
Wie die Totengeister und -seelen nach alter Anschauung von feinstofflicher
Beschaffenheit gleich einem Lufthauch oder einem Rauch sind, bedeutet auch
bei den Alchemisten der spiritus [Geist] eine (nicht wahrnehmbare) ...,
aktive und belebende Essenz, als welche zum Beispiel der Alkohol verstanden
wurde ... Geist auf dieser Stufe ist Weingeist, Salmiakgeist, Ameisengeist
usw. ... Die Auffassung, daß die Psyche ein Geist sei, ist ... ohne
weiteres gegeben. Wenn daher im Individuum sich etwas Psychisches ereignet,
das es als zu ihm selber gehörig empfindet, so ist das sein eigener
Geist. ...
Entsprechend der ursprünglichen Windnatur
des Geistes ist dieser stets das aktive, beflügelte und bewegte sowohl
wie das belebende, anregende, aufreizende, anfeuernde, inspirierende Wesen.
Der Geist ist, modern ausgedrückt, das Dynamische, und darum formiert
er den klassischen Gegensatz zum Stoff, nämlich zu dessen Statik,
Trägheit und Unbelebtheit. Es ist in letzter Linie der Gegensatz zwischen
Leben und Tod. ...« [Lit. 2, Seite 202 - 205] |