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Weizsäcker, Ernst Ulrich von

*1939, dt. Physiker und Biologe, Umweltwissenschaftler. Mitglied des Club of Rome und des Präsidiums des dt. ev. Kirchentages. Viele Jahre Präsident des Wuppertal Institutes für Klima, Umwelt und Energie. Seit 1999 Abgeordneter der SPD im Bundestag. Zahlreiche Veröffentlichungen.

Zitate und Literatur:
Zitate:


 ... Der Traum von den billigen Rohstoffen ist irgendwann ausgeträumt. Wenn Erschöpfungserscheinungen entweder bei den Vorräten oder bei der Aufnahmekapazität der Umwelt für Emissionen und Abfälle eintreten und die Verbrauchstrends immer noch nach oben zeigen, kann es zu plötzlichen ... Preisexplosionen kommen. Diese treffen dann die Wirtschaft und vor allem die Armen weltweit verheerend. Voller Wut und Unverständnis wird man dann über unsere Generation sprechen, wenn wir es nicht geschafft haben, den im Eiltempo fortschreitenden Ressourcenverbrauch rechtzeitig zu steuern. ... [Lit. 1, Seite 220]

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 ... Eines der nicht allzu überraschenden Ergebnisse (Anm.: einer Studie des Wuppertal-Institutes) ist, daß pro Bundesbürger anstelle der heutigen 11,5 t CO2 nur 2,3 t pro Jahr emittiert werden dürfen, wenn die Menschheit insgesamt nicht mehr emittieren soll, als die Erde wieder absorbieren kann. ... [Lit. 1, Seite 246]

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Vom gegenwärtigen Stand der Klima- und Umweltforschung aus betrachtet, bleibt uns rund ein halbes Jahrhundert Zeit, um die gefährlichen Scheren zu schließen, ... Fünfzig Jahre sind zugleich ungefähr der Zeitraum, innerhalb dessen es realistisch ist, die technologische und zivilisatorische Entwicklung wesentlich zu verändern. Um aber die tiefgreifenden Änderungen in diesem halben Jahrhundert auch bewerkstelligen zu können, müssen wir sofort damit beginnen. ... [Lit. 1, Seite 284]

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... Zwischen 1970 und 1990 ist die Weltbevölkerung von 3,6 Milliarden auf 5,3 Milliarden angewachsen, die Zahl der Autos hat von 250 auf 560 Millionen zugenommen, der Erdgasverbrauch stieg von 837 auf 1890 Milliarden Kubikmeter und die Kraftwerkskapazitäten von 1,1 auf 2,6 Millionen Megawatt. Was auch immer Geologen über noch unentdeckte Vorräte sagen mögen, der Verbrauch darf nicht mit dieser Geschwindigkeit weiterwachsen. ... eher (ist) die Aufnahmefähigkeit der Erde für Abfälle und Emissionen begrenzt, als es die Rohstoffvorräte sind. ... [Lit. 1, Seite 286]

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 ... Keines der auf dem Erdgipfel 1992 diskutierten ... Probleme wäre wirklich schwerwiegend, wenn auf der Welt nur 500 Millionen Menschen mit Nahrung, Kleidung und einem Zuhause versorgt werden müßten. ... [Lit. 1, Seite 291] 

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... Politisch gesehen führt das dramatische Bevölkerungswachstum fast unausweichlich zu Konflikten um Land und Rohstoffe. Entsetzli che Kriege sind nicht auszuschließen. Der Treibhauseffekt kann die Situation dramatisch verschärfen. ... [Lit. 1, Seite 293]

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... Mitbürgerinnen und Mitbürger ohne Auto haben selten die Gelegenheit, über ihre Erfahrungen zu reden und die Bedingungen für ein angenehmes autofreies Leben zu definieren. Vielleicht gehen Stadtplaner deshalb wie selbstverständlich davon aus, daß das Auto planerisch die Hauptrolle spielen muß, weil üblicherweise niemand ein gegenteiliges Interesse äußert. ... [Lit. 1, Seite 166]

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... Mit viel Trara wurde in Deutschland das 5-l-Auto, dann das 3-l-Auto angekündigt. ... Nein, wir finden diese Ankündigung alles andere als mutig. Sie ist weit entfernt vom Faktor 4. Wir reden hier vom 1,5-l-Auto. ... Man hatte fast den Eindruck, die heutigen Autos seien gar nicht mit der Absicht gebaut, die Personen effizient fortzubewegen. ... (Denn) alles in allem wird nur 1 % der eingesetzten Energie für die Fortbewegung der Insassen aufgewendet. ... / ... Auto fahren bedeutet - materiell gesehen - mehr, als den eigenen Körper von einem Ort zum anderen zu befördern. Eine gute Tonne Metall, Gummi und Polster werden mitbewegt. Und bevor uns das Auto überhaupt als Fortbewegungsmittel zur Verfügung steht, werden schon vor und während der Herstellung riesige Stoffmengen bewegt. ... [Lit. 1, Seite 33 - 34 / 105]

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... Wendet man die Faktor-4-Revolution (Anm.: die Effizienzsteigerung für Energie und Stoffe durch intelligente Technik) auf Autos, Häuser, Lebensmittel, Haushaltsgeräte, Möbel, Bürogeräte, Chemikalien, Textilien und alle dazugehörigen Dienstleistungen an, dann kommt man auf Umsätze, die das wirtschaftliche Gewicht der Gentechnik wohl um das Hundertfache übertreffen. ... [Lit. 1, Seite 18] 

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... Oft werden Probleme in ihrer Frühphase einfach nicht sichtbar. (Als Beispiel) etwa die Zeitdynamik der Versauerung des Großen Elchsees im Staat New York. ... Über fünfzig Jahre lang gingen Schwefelmengen ... Regen auf die Region nieder, bis schließlich die Pufferkapazität sowohl des Bodens im Einzugsbereich als auch des Sees selber erschöpft waren. Als er einmal über die kritischen Werte hinausgelangte, kippte der See um und ist seitdem tot. ... [Lit. 1, Seite 261 + 262] 

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... Mit deutschen Pro-Kopf-Verbrauchsraten, die gut fünfzehnmal so hoch sind wie die indischen, ist die gesamte Umweltbelastung von 80 Millionen Deutschen höher als die von 900 Millionen Indern. ... [Lit. 1, Seite 243]

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 ... für eine Kalorie ... fleischreiche Kost ... auf dem Teller werden vorher zehn Kalorien (Energieeinsatz für die Herstellung) investiert ... Für eine Kalorie Rindfleisch werden zuweilen über 30 Kalorien Fremdenergie aufgewendet. ... / ... Der Energieaufwand (für Gewächshaustomaten) ist höher als 50 Megajoule/kg Tomate. Wenn 1 kg Tomaten einen Energiegehalt von etwa einem halben Megajoule hat, ist dies also eine Energievernichtung von etwa einem Faktor 100. ... selbst die Flugreise (für Übersee-Tomaten) würde »nur« 15 Megajoule/kg an Energie kosten, wäre also gut dreimal so günstig wie die Gewächshausaufzucht. ... [Lit. 1, Seite 81 - 82 / 85]

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... 80 % aller fertigen Produkte (werden) nach einmaliger Benutzung weggeworfen, und die restlichen sind längst nicht so haltbar, wie sie sein könnten ... Auch Energie, Wasser und Transportdienste werden großenteils verschwendet, ehe wir etwas davon haben. (So z.B.) ... die Energie aus einem Großkraftwerk, von der nur ein Bruchteil tatsächliche genutzt werden kann ... (oder) Tausende von LKW-Kilometern für ein Produktergebnis, das man genausogut lokal hätte erreichen können; das Benzin eines Autos, von dessen Energie 80 - 85 % im Motor oder dem Getriebe steckenbleibt, bevor sie überhaupt zu den Rädern gelangt. ... [Lit. 1, Seite 19] 

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... Der Traum von den billigen Rohstoffen ist irgendwann ausgeträumt. Wenn Erschöpfungserscheinungen entweder bei den Vorräten oder bei der Aufnahmekapazität der Umwelt für Emissionen und Abfälle eintreten und die Verbrauchstrends immer noch nach oben zeigen, kann es zu plötzlichen, politisch und spekulativ verstärkten Preisexplosionen kommen. Diese treffen dann die Wirtschaft und vor allem die Armen weltweit verheerend. Voller Wut und Unverständnis wird man dann über unsere Generation sprechen, wenn wir es nicht geschafft haben, den im Eiltempo fortschreitenden Ressourcenverbrauch rechtzeitig zu steuern. ... [Lit. 1, Seite 220] 

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... Entropie (ist) nicht immer ein Maß für Unordnung. Unter bestimmten Bedingungen (Existenz anziehender Kräfte und niedrige Gesamtenergie) sind Zustände höherer Ordnung sogar Zustände höherer Entropie. [Lit. 2, Seite 103] 

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... Die Artenvielfalt kann als Versicherung gegen unvorhersehbare klimatische oder anders verursachte Veränderungen der Biosphäre aufgefaßt werden. Auch Dummheiten menschlicher Eingriffe in die Natur sind oft von der phantastischen biologischen Vielfalt abgefedert oder wiedergutgemacht worden. Es ist töricht und unverantwortlich, die Artenvielfalt zugunsten kurzfristiger ökonomischer Vorteile zu opfern. ... [Lit. 1, Seite 255]

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»Die Grenzen des Wachstums« waren der berühmteste Bericht an den Club of Rome (Anm.: 1972) ... Mit einem Computermodell wurden gi gantische Zusammenbrüche vorausgesagt, wenn sich nichts Entscheidendes ändert. ... Inzwischen hat man zwar viel mehr Rohstoffe aufgestöbert, aber damit nähert man sich nach dem Modell bloß der noch schlimmeren ... Situation. Denn die verhängnisvolle Dynamik ist geblieben. ... Alle setzen auf Wachstum, Industrie- und Entwicklungsländer, (blühende) wie notleidende Wirtschaften. Das Thema Umwelt ist weggerutscht. Wer ökologisch Alarm ruft, wird als Schwarzmaler und Wachstumsgegner bekämpft. Alarmrufe sind nur noch bei Wirtschaftsthemen gestattet, bei Arbeitslosigkeit, Staatsfinanzen oder »Standort Deutschland«. Und die Medizin für alle drei heißt natürlich: Wachstum. [Lit. 1, Seite 11]

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... auch Treibhauseffekt und Artenvielfalt werden von vielen lediglich als Herausforderung für die Technik angesehen. Um die Artenvielfalt zu sichern, müßte man nur genügend Genbanken anlegen ... Und für das Klimaproblem, ... (genüge) die Technologie der CO2-Absorption sowie der Kernkraft, der Fusionsenergie oder der satellitengestützten Solarenergie ... / ... (Solche) High-Tech-Träume haben oft den Zweck, das Klima für die Finanzierung von großen Forschungsvorhaben zu schaffen. ... [Lit. 1, Seite 277 / 280]

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... Die Erde wird als wertloser Materieklumpen betrachtet und behandelt, Lebewesen als Dinge, die Natur als Störfaktor, Milliarden von Jahren der Evolution werden ignoriert, das Abholzen von Wäldern, das Überfischen oder der Erzbergbau dagegen erfahren als »einträgliche« Tätigkeiten eine positive Bewertung, und die ferne Zukunft gilt ... als wertlos. ... [Lit. 1, Seite 332]

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... Fragen wir einen Ökonomen, wieviel Strom sein Kühlschrank letztes Jahr verbraucht hat. ... Sicher weiß er es nicht. Auf seinen unvollständigen Kenntnisstand angesprochen, wird der Ökonom einwenden, er sei zu beschäftigt, um solche Informationen einzuholen. Ganz genau: Vollständige Informationen liegen der Mehrzahl der Marktteilnehmer - aus den unterschiedlichsten Gründen - nicht vor. ... [Lit. 1, Seite 180]

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Literatur:

1. Weizsäcker, Ernst Ulrich von + Lovins, A.B. + Lovins, L.H.
»Faktor Vier«
1997, Knaur, München
Ein hieb- und stichfester Beweis für einen Umweltschutz ohne Einbußen
2. Vollmer, Gerhard
»Biophilosophie«
1995 - 1. Auflage, Reclam, Stuttgart