Einführung: Was ist die Erd-Charta


Die Erd-Charta versteht sich als eine inspirierende Vision grundlegender ethischer Prinzipien für eine nachhaltige Entwicklung und sie soll ein verbindlicher Vertrag der Völker auf der ganzen Welt werden. Grundlegend sind die Achtung vor der Natur, die allgemeinen Menschenrechte, soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit und eine Kultur des Friedens.

Die Grundsätze der Erd-Charta ergeben zusammen ein Konzept für eine nachhaltige Entwicklung und stellen grundlegende Richtlinien für den Weg dorthin dar. Diese Grundsätze sind hergeleitet aus dem Völkerrecht, aus Wissenschaft, Philosophie, Religion, UN-Gipfeltreffen und den bisherigen Erd-Charta-Gesprächen über eine globale Ethik.

Die Erd-Charta stellt fest, dass die ökologischen, ökonomischen, sozialen, kulturellen, ethischen und spirituellen Probleme und Hoffnungen der Menschheit eng miteinander verbunden sind. Die Herausforderungen zu Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden sind eng verknüpft mit dem Schutz der Umwelt und der Sorge um das wirtschaftliche Wohlergehen. Nur in einer globalen Partnerschaft und in gemeinsamer Verantwortung können umfassende Lösungen gefunden werden.

Die Initiative für eine Erd-Charta hat weltweit bereits eine längere Geschichte:
Im Jahr 1987 schlug die Weltkommission der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung in ihrem Abschlussbericht, dem sog. Brundtland-Bericht, eine Charta der Erde vor, die die Fragen von Umwelt und Entwicklung auf Dauer stärker miteinander vernetzen sollte. Die Brundtland-Kommission hat auch die Zielvorstellungen von einer "nachhaltigen Entwicklung" (sustainable development) zum ersten Mal populär gemacht. Nachhaltige Entwicklung wurde zum führenden Leitbild der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) 1992 in Rio de Janeiro. In dem Handlungsprogramm "Agenda 21" wurde es weiter konkretisiert und danach weltweit in vielen lokalen, regionalen und nationalen Agenda 21-Prozessen im Idealfall mit Leben erfüllt.

Mit der Erd-Charta sollte ein grundlegender und verbindlicher ethischer Rahmen für verschiedenen Aufgaben und Anliegen der "Agenda 21" beschrieben und vereinbart werden. Das ist im ersten Anlauf nicht gelungen. Trotz der Anstrengungen von Regierungsvertretern und Nichtregierungsorganisationen gab es in Rio 1992 noch zu viele inhaltliche Streitpunkte um sich auf einen gemeinsamen Text zu verständigen. Insbesondere Gruppen aus den sogenannten Entwicklungsländern sahen sich in der ersten Erdcharta nicht repräsentiert.

Nach ersten Enttäuschungen kamen dann neue Impulse für eine Erd-Charta-Initiative vom "Rat der Erde" (Earth Council in Costa Rica) und vom "Internationalen Grünen Kreuz" (eine Art "Rotes Kreuz der Umwelt", 1992 von Michail Gorbatschow ins Leben gerufen); gemeinsam engagierten sie sich weiter für die Entwicklung einer Erd-Charta. Unterstützt wurden sie dabei auch durch die niederländische Regierung.

Bei einem gemeinsamen Treffen mit anderen NRO's wurde 1995 in Den Haag eine Kommission für die Erd-Charta gegründet mit dem Auftrag, in den nächsten Jahren eine weltweite Konsultation durchzuführen und den Entwurf einer Erd-Charta vorzulegen. Das Sekretariat dieser Kommission befindet sich bis heute beim Earth Council in Costa Rica.

Es wurde eine breite Diskussion in allen Erdteilen initiiert, in deren Verlauf 1997 ein erster und 1999 ein zweiter Textentwurf vorgelegt wurde. Hunderte von Organisationen und Gruppen und Tausende von Einzelpersonen nahmen an diesem Prozess teil. Im März 2000 wurden bei einem Treffen der Kommission in Paris die letzten Eingaben eingearbeitet und die Erd-Charta in einer endgültigen Fassung veröffentlicht. Der offizielle "Stapellauf" fand im Juni 2000 im Friedenspalais in Den Haag statt.

Ursprünglich war es ein Ziel der internationalen Initiative, eine Bestätigung der Erd-Charta durch den "Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung" in Johannesburg (2002) zu erreichen. Die Erd-Charta ist aber als Dokument nicht offiziell in Johannesburg diskutiert und verabschiedet worden. Trotzdem hat die Erd-Charta dort Spuren hinterlassen und hat während des Konferenzgeschehens in Johannesburg an vielen Stellen eine bedeutende und inspirierende Rolle gespielt. In einer ganzen Reihe von Erklärungen wurde sie unterstützend erwähnt. So haben z.B. Vertreterinnen und Vertretern von Städten und Kommunen aus der ganzen Welt dazu aufgerufen, sich an den Werten und Prinzipien der Erd-Charta zu orientieren ("Johannesburg Call" ).

Bei mehreren Gelegenheiten und Events konnte die Erd-Charta in Johannesburg besonders präsentiert werden.

Ein offizielles Ergebnis von Johannesburg ist - als sogenanntes Typ 2-Abkommen - auch die Vereinbarung eines mehrjährigen Bildungsprogramms: " Educating for Sustainable Living with the Earth Charter". Unter Federführung des internationalen Erd-Charta-Sekretariates in Costa Rica soll dieses Programm in Zusammenarbeit mit einigen Regierungen, vielen NGO's und auch mit der UNESCO umgesetzt und mit Leben erfüllt werden. An vielen Orten der Welt wurden inzwischen gute Erfahrungen in der Bildungsarbeit mit der Erd-Charta gesammelt. Insgesamt wurde und wird die Erd-Charta von vielen Organisationen für Bildung und Erziehung als ein sehr wichtiges und hilfreiches Instrumentarium für eine Bildung für nachhaltige Entwicklung begrüßt.

Deswegen soll der vorliegende Text auch weiterhin ein "empowering document" sein: er soll in einer weltweiten Initiative Menschen zeigen, wie sie in einer nachhaltigen Art und Weise zusammen leben können, und er soll einen breiten Dialog über gemeinsame Werte fördern.

Dieses Anliegen ist getragen von der Hoffnung, dass immer mehr Menschen, Gruppen und Initiativen, Institutionen und Regierungen dieser ganzheitlichen ethisch-ökologischen Betrachtungsweise zustimmen.

Inzwischen gibt es über sechzig nationale Erd-Charta-Komitees, die diese Initiative mittragen und vor Ort ins Gespräch bringen.

Nachdem es in einem weltweiten Dialogprozess gelungen ist, eine Erd Charta zu entwerfen, die in knappen Worten eine inspirierende Vision grundlegender ethischer Prinzipien für eine nachhaltige Entwicklung darlegt, sind heute die Ziele der internationalen Erd-Charta-lnitiative:

  • Die Verbreitung, Unterzeichnung (endorsement) und Umsetzung der Erd-Charta durch die Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Regierung zu fördern.
  • Mut zu machen und Hilfen zu geben, damit die Erd-Charta in Schulen, Universitäten, Glaubensgemeinschaften und in anderen Zusammenhängen eingesetzt wird.
  • Die Unterstützung und Anerkennung der Erd-Charta durch die Vereinten Nationen zu erreichen suchen.
So soll ein weltweiter Dialog über eine globale Ethik zum Aufbau einer nachhaltigen Welt lebendig bleiben.

Wir hoffen dabei auf Ihre Mitarbeit.