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Beiträge unserer Leser zum Thema: »Fakten zum Trinkwasser« |
Wasser - Menschenrecht oder Ware? Ein Kommentar zur zukünftigen Trinkwasserversorgung, zum Dienstleistungsabkommen GATS und der Liberalisierung des weltweiten Wassermarktes Wasser ist eines unserer kostbarsten endlichen Güter. Es ist ein Symbol für das Leben auf unserer Erde, ein Heiligtum mit dem wir sehr spar- und sorgsam umgehen sollten- es aber oft nicht tun:
Etwa 6000 Kinder sterben täglich an Krankheiten, die durch unsauberes Trinkwasser oder völlig unzureichende Abwasserentsorgung und Hygiene verursacht werden. Diese Zustände sind für 80% aller Krankheiten in Entwicklungsländern verantwortlich 2 . Obwohl es genug Wasser auf unserem Planeten gibt, 70% der Erdoberfläche sind mit Wasser bedeckt, können wir nur 2,5% als Trinkwasser (Quellen und Gletschereis; verschmutzte Wasser wurde noch nicht abgezogen!) verwenden. Dazu kommt noch, dass durch den Klimawandel unsere Trinkwasservorräte in den Gletschern abschmelzen und versickern oder im Meer verloren gehen. Bereits heute haben die Alpengletscher, seit dem Höchststand von 1850 ca. die Hälfte ihrer Masse verloren 3. Ein weiteres Problem besteht darin, dass vielen Ländern keine »eigenen« Flüsse zur Verfügung stehen, d.h. die Quellen liegen in anderen Ländern. Ägypten, Ungarn und Mauretanien sind besonders abhängig von grenzüberschreitenden Zuflüssen, aber auch Deutschland ist zu ca. 52% von ihnen abhängig 4. Eine Lösung wäre mehr Trinkwasserentsalzungsanlagen zu bauen,
die sind aber nicht gerade billig. Und die betreffenden Regierungen geben
das nötige Geld lieber für andere Dinge wie z.B. Waffen aus.
Die Rolle der WTO Die Welthandelsorganisation WTO ist nicht der Meinung, dass es ein Menschenrecht auf Zugang zu sauberem Trinkwasser gibt. Ganz im Gegenteil: Sie will durch das Dienstleistungsabkommen GATS den Bereich der Wasserversorgung umfassend liberalisieren. Die Vorteile der Privatisierung der Trinkwasserversorgung sieht die WTO in der höheren Effizienz von privaten gegenüber öffentlichen Unternehmen. Die Weltbank ist außerdem der Meinung, dass nur private Investoren
die Summe von 180 Mrd. US-Dollar im Jahr (!) für das Ziel »Wasser
für alle« aufbringen können. Dabei ist diese riesige Investition
laut Richard Jolly, dem Vorsitzenden des Water Supply and Sanitation Colaborative
Council (WSSCC) überhaupt nicht von Nöten. Er ist überzeugt
davon, dass bei einem Verzicht von »high-tech« und »high-cost projects«
nur 10 Mrd. US- Dollar im Jahr aufgewendet werden müssten5.
Das hört sich zwar immer noch nach unheimlich viel Geld an, erscheint
aber eher gering, wenn man bedenkt, dass Wasser und sanitäre Anlagen
für alle bereitzustellen nur ein Zehntel vom dem kosten würde,
was jedes Jahr für Alkoholika in Europa ausgegeben wird. (Die US-Amerikaner
geben sogar das Doppelte im Jahr für Tierfutter aus...).
Privatisierte Wasserversorgung - eine Bestandsaufnahme Einige Beispiele sollen an dieser Stelle zeigen, dass die Liberalisierung
vielerorts äußerst negative Konsequenzen nach sich zog:
Frankreich: Seit 130 Jahren ist die Wasserversorgung in Frankreich schon privatisiert. Die Multi-Konzerne Suez, Vivendi und Saur diktieren der Bevölkerung einen Preis, der überhöht und vollkommen ungerechtfertigt ist. Die einzelnen Kommunen sind den Konzernen zudem fachlich ausgeliefert. Sie können die Konzernanträge zur Instandhaltung der Anlagen nicht kontrollieren, da es kein öffentliches Fachpersonal mehr gibt. Die angeblichen Instandhaltungsmaßnahmen werden von den Unternehmen als Grund zur Preissteigerung ausgenutzt, oft werden die Mittel dann aber anderweitig verwendet. Für die Unternehmen ist die private Wasserversorgung nur in Großstädten
lukrativ, wohingegen die kleineren Kommunen meist weiter von öffentlichen
Einrichtungen betrieben werden. Diese sind durchschnittlich 20% preiswerter
als die privaten Anbieter!
Großbritannien: Über viele Jahre hinweg steigerten die privaten Unternehmen den Preis für Trinkwasser um 5%. (Insgesamt wurde der Preis seit der Privatisierung um 50% angehoben). Und um ihre Fixkosten zu senken entließen sie 21,5% ihrer Mitarbeiter. Aber anstatt die Gewinne in die Instandhaltung und Verbesserung der Anlagen zu investieren, wurde beinahe das gesamte Umsatzwachstum (in manchen Jahren bis zu 40% der Gebühren) bis 1997 als Dividende oder Gehaltserhöhung an die Chefetage weitergeleitet. Die Folge war, dass ein Viertel des Trinkwassers durch undichte Leitungen verloren ging. Die Versorger wurden zwar bereits 128-mal wegen Vernachlässigung der Infrastruktur verurteilt. Das störte sie aber wenig, da die Strafen billiger ausfielen, als die Infrastruktur in Ordnung zu halten. Inzwischen mussten die Unternehmen, auf öffentlichen Druck hin,
die Gebühren etwas senken und die Investitionen erhöhen, wodurch
sich einzelne Unternehmen wieder aus dem Wassergeschäft zurückzogen,
da es zu wenig Ertrag abwirft.
Cochabamba: 1999 schloss Cochabamba in Bolivien einen
Konzessionsvertrag mit einem internationalen Konsortium über die Wasserversorgung
und Abwasserentsorgung. Daraufhin wurden die Preise in kürzester Zeit
um 100% angehoben, was für einen landesweiten Generalstreik sorgte,
die Regierung ging militärisch gegen seine Bevölkerung vor, kündigte
danach aber auch den Vertrag. Nun hat das Konsortium die Regierung auf
Schadensersatz verklagt, dessen Betrag dreimal so hoch liegt, wie die ursprüngliche
Investitionssumme. Das Ergebnis steht noch aus...
Namibia: Die Privatisierung erfolgte 1997 auf Druck des Internationalen Währungsfonds (IWF). Namibia hätte sonst keinen Anspruch auf weitere Kredite gehabt- diese Erpressung ist heute leider keine Einzelheit mehr. In 5 Jahren wurde der Wasserpreis viermal erhöht. Es entstanden Preissteigerungen zwischen 8% und 20%. Und der Wasserpreis wurde nicht mehr, wie vor der Privatisierung, zugunsten der Armen subventioniert. Die Gemeinden verschuldeten sich zusehends bei ihrem Wasserversorger und säumigen Städten wird der Wasserhahn abgedreht. Das erinnert doch sehr an Imperialismus. »Geld regiert die Welt«
Es stellt sich die Frage, warum die WTO trotz zahlreicher Nachteile und Risiken an der Liberalisierung des Wassermarktes festhält. Wenn man aber den möglichen Gewinn aus dem Wassergeschäft betrachtet, fällt der ein oder andere Groschen - Verzeihung, ich meine natürlich »Euro-Cent« - : Bisher wurden weltweit erst 5% des Wassermarktes liberalisiert. Dienstleistungen (zu denen auch die Wasserver- und Entsorgung zählt) machen im Allgemeinen zwar 60-70% des BIP, aber nur 20% des Welthandels aus. Das bedeutet, dass in diesem Sektor noch ein riesiges wirtschaftliches Potenzial steckt! Laut Weltbank geht es beim globalen Wassermarkt um 800 Mrd. Euro. Der Wert des europäischen Wassermarkts wird auf 80 Mrd. Euro geschätzt. 6 Und nach WTO - Angaben geht es allein bei der Öffnung der Dienstleitungsmärkte in den sogenannten Entwicklungsländern um mehrere Milliarden US-Dollar. Die EU fordert deshalb, dass 90% der Entwicklungsländer ausländischen Wasserkonzernen in ihren Ländern eine Präsens erlauben sollen, nicht weil die EU so mildtätig wäre und »den armen Kreaturen« ihre Existenz sichern wollen, sondern weil es hier um einen Haufen Geld für europäische Konzerne geht. Die EU gibt sogar selbst zu, dass die Liberalisierung des Wassermarktes vor allem Unternehmen nützt. Diese privaten Konzerne werden sich aber vermutlich kaum zur Aufgabe machen eine qualitativ hochwertige Wasserversorgung für alle Schichten der Bevölkerung zu installieren (wie uns z.B. RWE in ihrer tollen »imagine«- Werbung vorgaukeln will). Sie wollen Gewinn machen und ordnen diesem Ziel soziale- und Umweltaspekte unter. Ein Konzern, der die Wasserversorgung übernehmen will, wird ein
Monopolist,
der umfassend von der Regierung kontrolliert werden muss. Da könnte
die Regierung eigentlich gleich die Wasserversorgung in öffentlicher
Hand lassen.
Wie sieht die Lage in Deutschland aus? Auch in Deutschland soll der Wassermarkt nach dem Willen von einigen Multi-Utility-Konzernen, wie RWE und Eon, liberalisiert werden. Was passiert, wenn beispielsweise RWE nicht nur den Strommarkt, sondern auch den Wassermarkt beherrschen sollte? Klar dürfte sein, das selbst das Wirtschaftsprinzip »Konkurrenz belebt das Geschäft« ausgehebelt würde, da auf der Wasserversorgung natürlicherweise ein Monopol liegt und das erstmal für 30 Jahre7! Anders als beim Strom, können sich nicht mehrere Anbieter eine Wasserleitung teilen, weil Wasser nicht immer die gleiche Qualität hat. Und wenn erst mal ein Konzern den Wassermarkt bestimmt, können wir damit rechnen, dass:
GATS- der Kuhhandel mit den Dienstleistungen Alle GATS-Beschlüsse sind völkerrechtlich bindend und stehen über nationalem Recht. Nach dem Meistbegünstigungsprinzip werden Handelsvergünstigungen, die einem Land eingeräumt werden, automatisch auch für alle anderen Mitgliedsländer gültig. Der große Unterschied zwischen einem Handelsabkommen mit Gütern und einem mit Dienstleistungen ist, dass Güterströme häufig durch einfache Zollsätze und einige technische Normen geregelt werden, innerstaatliche Dienstleistungen aber häufig über 100-jährige Entwicklungen gewachsen sind, Hierunter fallen vor allem die elementaren Systeme der Daseinsvorsorge (Wasser, Gesundheit, Rente, Bildung). Durch das GATS werden politische Entscheidungsmöglichkeiten zugunsten
des Freihandels untergraben. Außerdem verhindern umfangreiche Bestimmungen
in der Praxis, dass die Liberalisierung eines Marktes rückgängig
gemacht werden kann. So wird es dazu kommen, dass die Handlungsfähigkeit
einer Regierung massiv eingeschränkt wird, so dass sich die Bevölkerung
fragen könnte, warum sie eine Regierung wählt, wenn die eh nichts
zu sagen hat. Dies kann nicht nur bei uns, sondern auch besonders in den
Entwicklungsländern große Probleme aufwerfen.
Unsere Forderungen Unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandeln Konzernbosse und Politiker der reichsten Industrienationen über das Wohl und Wehe der ganzen Menschheit. Deshalb fordert die BUNDjugend einen sofortigen Stopp der GATS-Verhandlungen. Der Bildungs-, Gesundheits- und Wassersektor, unsere Daseinsvorsorge, dürfen aus den oben genannten Gründen nicht liberalisiert werden, sondern muss in öffentlicher Hand bleiben. Ansonsten sind einschneidende Auswirkungen auf geltende und künftige Ökologie-, Sozial und Demokratiestandards zu befürchten. Unsere Bundesregierung sollte es den Niederlanden nachmachen und ein Verbot der Privatisierung der Trinkwasserversorgung gesetzlich festschreiben. Zahlreiche Beispiele haben gezeigt, dass öffentliche Unternehmen, effizient und erfolgreich arbeiten können. Das städtische Versorgungsunternehmen DMAE, der brasilianischen Stadt Porto Alegre beispielsweise, steigerte, trotz hohem Bevölkerungswachstum die Versorgung der Haushalte mit Wasser von 95 auf 99,5% und den Anschluss an die Kanalisation von 70 auf 84%, insbesondere in einkommensschwachen Wohngebieten. Ein entscheidender Anstoß dafür kam durch die Partizipation der Zivilgesellschaft zustande, die an der Aufstellung des städtischen Haushaltes beteiligt ist und so ihre Wünsche und Prioritäten in die Ausgabenpolitik einbringen kann. Die Moral daraus sollte also sein, dass man nicht mit Konzernmanagern, sondern mit den Menschen vor Ort über ihre Daseinsvorsorge nachdenkt. 7 Wir müssen außerdem einen langfristig schonenden Umgang mit
der Ressource Wasser betreiben. Und sauberes Wasser darf nicht zur Ware
verkommen, sondern sollte weiterhin ein Menschenrecht sein.
Monika Schwartz, c/o BUNDJugend Rheinland-Pfalz und Hessen
[1]Erklärungen:
Attac - globalisierungskritisches Netzwerk, seit 2001 im Aufbau, als Bürgerbewegung in Frankreich entstanden, arbeitet im Konsens und ohne hierarchische Strukturen. Mitglieder sind Kirchen, Gewerkschaften, Pro Asyl, Linksruck, terre de hommes und viele Einzelpersonen. Allein in Frankreich gibt es zurzeit 45.000 Mitglieder. www.attac.de BIP - Bruttoinlandsprodukt, der Wert aller Güter (Sachgüter und Dienstleistungen), die innerhalb eines bestimmten Zeitraumes (meist ein Jahr) in einem Land erzeugt werden. Dazu gehören auch Güter, die von Ausländern und ausländischen Unternehmen erstellt werden, die im Inland ansässig sind. Das Bruttoinlandsprodukt spiegelt die gesamte wirtschaftliche Leistung eines Landes wider. Bei internationalen Vergleichen dient es oft als Gradmesser für die wirtschaftliche Leistungskraft der einzelnen Länder. BUNDjugend - Jugendorganisation im Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Kinder und Jugendliche engagieren sich mit pfiffigen politischen Aktionen, Informationsveranstaltungen wie Vorträgen, Workcamps oder Kongressen für den Erhalt unserer Lebensgrundlage - der Umwelt. Weitere Infos unter www.bundjugend.de Eon - Multi-Utility-Konzern, im Juni 2000 aus Fusion der Unternehmen VEBA und VIAG entstanden. Momentan größter europäischer Stromanbieter. GATS - (General Agreement on Trade in Services) Dienstleistungsabkommen der WTO, wurde von der amerikanischen Coalisation of Services und Industry (CSI) ins Leben gerufen und spiegelt das Interesse einflussreicher Wirtschaftslobbys wieder. Monopole - Ein Konzern bestimmt Preis und Absatzmenge eines Produkts oder einer Dienstleistung, um maximale Gewinne zu erzielen. Dadurch wird freier Wettbewerb am Markt unterbunden. Multi-Utility-Konzerne - sind Konzerne, die mehrere Produkte, z.B. Strom, Gas Telekommunikation und andere Infrastrukturdienstleistungen handeln. RWE - Multi-Utility-Konzern, durch Fusion von Thameswater und RWE 2000/2001 weltweit drittgrößter Anbieter für Wasser und Abwasserdienstleistungen. WTO - (World Trade Organisation) internationale Organisation zur Förderung des freien Handels mit Hauptsitz in Genf. Seit Anfang 1996 Nachfolger des GATT. Die WTO ist unabhängig von den Vereinten Nationen. Offizielle Ziele sind: optimale Nutzung aller verfügbaren wirtschaftl. Ressourcen, die Steigerung des Lebensstandards in allen Ländern sowie die Verbesserung der Beschäftigungslage und des Realeinkommens. Quellen und Links zum Weiterlesen:
[1]1 Bundestag-Enquete Kommission, Globalisierung der Weltwirtschaft, S. 363 (2002) 2 World Water Assessment Report, People and the Planet 3 Greenpeace Studie »Die Alpen im Treibhaus«, Hamburg, Oktober 1998 4 FAO, World Food Summit, documents (2), Abschn. 2.13 5 www.stoppgats.at/0200/0201.php?kategorie_id=26&artikel_id=267; Uwe Hoering, Südwind-Magazin 2/2003 6 www.stoppgats.at/0200/0201.php?kategorie_id=26&artikel_id=16 7 »Umweltpolitik- Privatisierung
in der Wasserwirtschaft«, S. 49, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit, Bonn
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