... Keine geistige Bewegung kann aus dem Nichts entstehen, losgelöst
von ihrer Zeit und ihrem Entstehungsbereich. Jeder neue Versuch, den der
Mensch unternimmt, die Fragen seines Daseins zu lösen, ist nur ein
Glied in einer Kette, ein Weiterführen schon vorgedachter Gedanken.
Oftmals geschieht das als Reaktion gegen andere Vorstellungen, zuweilen
sogar als Rückkehr zu Gedanken, die aus dem Blick gekommen waren.
Eine jede Reform zielt also darauf, wieder ins rechte Licht zu rücken,
was dem Bewußtsein scheinbar entglitten ist und nur noch in den verborgenen
Gründen der Seele haust. ... [PERCHERON
/ Seite 7]
Nun denn, da also »keine geistige Bewegung aus dem Nichts entstehen
kann«, wollen wir uns vor weiteren Welthaus-Planungen auf die Reise
machen. Auf eine Reise in viele verschiedene »Länder«,
zu ganz unterschiedlichen Anschauungen über die Welt, um die Gedanken
zu finden, die »aus dem Blick gekommen sind« und daraus für
unser Vorhaben zu lernen. Sind doch auch die Handwerksburschen früherer
Zeiten jahrelang von Ort zu Ort gezogen, um viele unterschiedliche Arbeitsweisen
kennenzulernen.
Wir laden Sie herzlich ein, uns auf dieser spannenden
und abwechslungsreichen Reise zu begleiten. Staunen Sie über die Vielfalt
der Möglichkeiten, die Welt zu erklären.
Heutzutage wird oft darauf hingewiesen, das etwas
»leicht« sei: Leichtes Essen, leichte Arbeit, leichter Lesestoff.
Es wird uns überall eingeredet, nur das Leichte sei angenehm. Wo bleibt
das Schwere, die Herausforderung, das Abenteuer? Auch dies gehört
unabdingbar zu unserem Leben und kann durchaus erstrebenswert sein!
Betrachten Sie unsere Reise als Abenteuer, das jederzeit
unter Ihrer Kontrolle steht. Auf dieser Reise können Sie innehalten,
zurückblättern oder unterbrechen, wann immer Sie wollen! Sie
können sogar überspringen, wenn Ihnen ein Reise-Abschnitt einmal
zu schwierig erscheint. In diesem Fall genügen durchaus die »Schlagzeilen«
der Weltanschauungen in der Zusammenfassung dieses Kapitels. Welthäuser
können auf verschiedenen Fundamenten stehen!
Aus diesem Grund wäre es auch unklug und hochmütig, unsere
von der Wissenschaft und der Wirtschaftsgesellschaft geprägte Weltanschauung
als den einzigen Weg zur Wahrheit
anzusehen!
Unsere Reise soll uns und Ihnen helfen, einen Weg der goldenen Mitte
zwischen den modernen Erkenntnissen
und den Weisheiten völlig anders denkender Menschen aus unterschiedlichen
Zeitaltern zu finden.
Für unser Buchprojekt war die Beschäftigung
mit verschiedensten Weltsichten zudem eine gute Möglichkeit der Übung,
fremde Gedankengebäude »nachzubauen« und sie vergleichend
einzuschätzen, wie Sie in Abschnitt 4.7 sehen werden.
Unsere gedankliche Reise begann auf einer wirklichen Reise, genauer
gesagt, auf einer Jugendfreizeit mit den Cronenberger Rangern in den französischen
Pyrenäen. Als Begleitprogramm hatte ich mir das folgende Planspiel
überlegt:
Jeden Tag sollten die Ranger anhand vorbereiteter
Texte jeweils eine Weltanschauung kennenlernen. Anschließend sollten
sie deren Abgesandte spielen, die auf einer »Weltbildkonferenz«
den anderen Teilnehmern ihre Ansichten und Meinungen näherbringen
sollten. Der Spielgestaltung waren dabei keine Grenzen gesetzt. Es war
lediglich wichtig, alle Weltsichten auf unsere »sieben großen
Lebensfragen« [Kap. 1.2.2] abzustimmen. Auf diese Weise sollte eine
annährende Vergleichbarkeit entstehen.
Wenn es auch eine schwierige und - wie sich später
herausstellte - sehr langwierige Aufgabe für die Ranger war, wurde
die »Weltbildkonferenz« doch eine rundum gelungene und stellenweise
gar lustige Veranstaltung.
Das Durchhaltevermögen der Ranger war erstaunlich:
Selbst am siebten Tag war die »Puste« noch nicht raus und so
kamen auch die beiden letzten Weltbilder am lauten und unruhigen Bahnhof
von Toulouse noch zu ihrem Recht. Trotz der vielen anstrengenden Konferenzstunden
waren die Urteile der Ranger durchweg positiv. Man habe einiges gelernt:
Erstaunliches und bisher Unbekanntes; man habe neue Blickwinkel für
die eigenen Überlegungen gewonnen und einige Anregungen zum Nachdenken
erhalten.
Und spätestens bei der Aufstellung unserer
»Hitliste« wurde mir bewusst, wie ernst die Ranger ihre Aufgabe
genommen hatten.
Doch dazu - wie gesagt - später mehr. Beginnen
wir nun unsere Reise zu den Weltanschauungen bei den »Machern des
Wissens«.
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