[Texte zusammengestellt aus: GLASENAPP,
KHOURY,
LEX.SEKT.,
SCHWIKART]
Der
Text wurde von Nepal Lodh auf sachliche Richtigkeit überprüft
(Yogameister, Präsident der Deutsch-Indischen Hindugesellschaft Bremen
e.V.)
Einer der vielen Hindugötter ist Shiva, der Zerstörer.
In der Mitte steht die Silbe OM für Geburt,
Leben und Tod.
Wohl der berühmteste Hindu unserer Zeit war
Mahatma GANDHI
Unsere Sinne überschlagen sich regelrecht: Betörende Düfte
unbekannter Pflanzen dringen in unsere Nasen. Himmelhohe Berge, öde
Steppen und üppige Tropenwälder wechseln einander ab. Bald hören
wir fremdartige Musik, die seltsam in unseren Ohren klingt. Vor unserem
Bus stehen mitten auf der Straße einige Kühe und etwas weiter
hinten geht gerade eine Herde prächtig geschmückter Elefanten
vorbei, auf denen fast nackte braune Männer sitzen. Als wir den Blick
auf den Straßenrand richten, lächeln uns hübsche Mädchen
mit langen schwarzen Zöpfen zu, die in farbenfrohe Tücher gehüllt
sind. Auf der Stirn haben sie einen roten Punkt - kein Zweifel, wir sind
bei den Hindus.
Bald schon gelangen wir an den Ganges, den heiligen
Fluss, in dem hunderte von Menschen ein Bad nehmen. Sie verehren den Fluss
wie einen Gott. Vor lauter Staunen über die Fakire, die mit steinerner
Miene auf einem Nagelbrett sitzen, über die Yogis, die seit Tagen
in tiefer Meditation bewegungslos verharren und über allerhand Schlangenbeschwörer,
Gaukler und Gurus vergessen wir vollkommen, warum wir hierher kamen.
Erst als wir nach stundenlangem Betrachten der zauberhaften
Tempel mit ihren Rundbögen, Säulen und Statuen in eine Herberge
einkehren und schließlich bei einem scharf gewürzten Reis-Gericht
sitzen, erinnern wir uns an unsere Aufgabe.
Schnell ist ein weiser Brahmane gefunden, der uns
gern von der Welt der Hindus erzählt.
Geschichte
Man geht davon aus, dass der Hinduismus vor etwa 3.800 Jahren entstand,
als indoeuropäische Nomaden in das Tal des Indus eindrangen und die
dort lebende Bevölkerung unterwarfen. Die Vermischung der Naturreligionen
beider Völker wird als die Geburtsstunde des Hinduismus angesehen.
In diesem Sinne ist es keine durch einen Stifter
gegründete Religion
wie der Buddhismus oder das Christentum. Diese »Geburt aus dem Volk«
hat dazu geführt, dass der Hinduismus auch heute noch sehr lebensnah
ist.
Die ältesten schriftlichen Zeugnisse sind die
Veden, die noch heute eine große Bedeutung für viele hinduistische
Richtungen haben. Als um 500 v. Chr. der Buddhismus aus dem Hinduismus
entstand, kam es zu einer Neuordnung der indischen Religion. Damit begann
auch die Aufspaltung in die vielen unterschiedlichen Glaubensrichtungen,
die Indien noch heute prägen. Als direkte Erneuerung der Veden werden
die Upanishaden angesehen, die neben der Morallehre
des Bhagavad-Gita die wesentlichsten philosophischen Texte des Hinduismus
darstellen.
Für Anhänger eines anderen Glaubens
ist es wahrhaft schwierig, im Hinduismus eine einzige Religion zu erkennen
[90]. Vor allem der Volksglauben hat
in Indien eine Vielzahl von Spielarten hervorgebracht. Das liegt sicherlich
auch an der Auffassung der Inder, dass Religion weniger ein Bekenntnis,
sondern vielmehr eine ganz persönliche Erfahrung ist. Der Hinduismus
ist in dieser Weise offen für sehr viele verschiedene Vorstellungen.
Seit jeher versteht sich der Hinduismus als rein
indische Religion, die keine Missionierung anderer Völker anstrebt
und zu der man sich nicht einmal bekennen kann, wenn man nicht als Inder
geboren wurde. Doch gerade die Offenheit für die verschiedensten Glaubensinhalte
und die Vielfalt dieser geheimnisvollen fremden Religion hat dazu geführt,
dass sich viele neureligiöse Sekten im Westen an indischen Glaubensvorstellungen
orientieren.
In Bezug auf die neuere Geschichte ist ohne Zweifel
Mahatma GANDHI
der bekannteste Hindu gewesen. Anfang des 20. Jahrhunderts vollbrachte
er durch die unermüdliche Umsetzung hinduistischer Tugenden nahezu
unglaubliche Leistungen für die friedliche Entwicklung Indiens.
Trotz der Beschränkung auf Indien ist der Hinduismus
eine der größten Religionen der Welt.
Was können wir über die Welt wissen?
Das Gesetz des Dharma - der ewig wiederkehrenden Weltordnung - ist
kennzeichnend für alle hinduistischen Glaubensrichtungen [91].
Seit anfangsloser Zeit folgt ein Universum
auf das andere. Die eigentliche Grundlage dafür ist das ungeschaffene,
unpersönliche, unendliche reine Bewusstsein: das Brahma. Es durchdringt
das Universum, bleibt aber dennoch außerhalb von ihm. Alles ist im
tiefsten Grunde eins mit dem unendlichen Brahma. Erscheint Brahma als Kraft
der bewussten Wahrnehmung in den Lebewesen, wird es Atman genannt [92]
[93]. Ohne Atman wären die Sinne
ohne Funktion.
Von den wenigsten Hindus wird Brahma als Gott verehrt,
meist wird es einfach als ursächliche Wirklichkeit
hingenommen, die weder beeinflusst, noch angebetet werden kann. Da der
Mensch in den Widrigkeiten des Lebens jedoch einen persönlichen Gott
braucht, zu dem er beten kann, tritt Brahma gegenüber dem Menschen
in vielen göttlichen Formen auf.
Die erste Sichtbarwerdung des Brahma in jedem Universum
ist die Aufspaltung in die göttliche Dreieinigkeit von Ishvara, Vishnu
und Shiva. Ishvara ist der Herr und Schöpfer, Vishnu versinnbildlicht
die schaffenden und erhaltenden Kräfte im Universum und Shiva die
verändernden und zerstörenden.
Diese drei Götter sind die erste Stufe der unüberschaubaren
hinduistischen Götterfamilie und der scheinbaren Vielheit der Welt,
die aus der wahren Einheit entstanden ist. Wohlgemerkt ist die Schöpfung
für den Hindu kein tatsächliches Ereignis, denn alles Geschaffene
ist nur eine Einbildung unseres Geistes.
Viele Hindus beten insbesondere eine ausgewählte,
persönliche Gottheit an. Doch egal, welchen Gott jemand verehrt, er
ist immer nur eine Verkörperung des Brahma. Damit sind alle Götter
im Grunde gleichwertig. Trotz aller persönlicher Verehrung geht man
zudem davon aus, dass selbst die Götter letzten Endes nicht wirklich
sind, sondern auch nur ein Teil der diesseitigen Erscheinungswelt. Sie
ermöglichen es dem Gläubigen jedoch, einen ganz persönlichen
Zugang zur Wirklichkeit hinter den Dingen zu finden.
Viel einheitlicher als die Götterwelt ist die
Beschreibung des Gesetzes, das die Welt in Gang hält und Ursache jeder
Entwicklung ist. Durch dieses Gesetz von Aktion und Reaktion (Karma) kommt
es zur ewigen Wiederkehr des Daseins (Samsara).
Für den Einzelnen ergibt sich aus diesem Gesetz
eine immerwährende Teilnahme am Leben durch die Wiedergeburten (Reinkarnationen).
Der Mechanismus des Karma und seine Wirkung auf die Vielfalt der Welt wird
recht anschaulich in
[GLASENAPP
/ Lit. 1, Seite 23] beschrieben:
... Nach hinduistischem Glauben ist das Dasein und Schicksal eines
jeden Einzelwesens eine notwendige Folge der Taten, welche es in einem
früheren Leben vollbrachte. ... Die ungeheure Mannigfaltigkeit der
Lebewesen, von den höchsten Göttern bis zu den niedrigsten Würmern,
Insekten und Pflanzen, wird von den Hindus auf die ungeheure Mannigfaltigkeit
der Taten zurückgeführt, welche vergolten werden müssen.
...
Karma erhält Samsara bis zum Ende eines Zeitalters, bevor alles
wieder Brahma wird und von neuem beginnt.
Ist der Mensch gut oder böse?
Der Mensch als Teil der scheinbaren Welt kann sowohl gut, als auch
böse sein. Wenn er das Weltgesetz erkennt, weiß er, dass nur
gutes Denken, Reden und Handeln im Sinne der heiligen Schriften die Ordnung
erhalten kann. Und da sich sein Handeln als gutes oder schlechtes Karma
in seiner Person auswirken wird, hat der Hindu ein natürliches Anliegen,
gut zu sein.
Können wir unser Handeln frei bestimmen?
Jeder Mensch ist Herr seiner Handlungen und bestimmt selbst, ob ihn
eine gute oder schlechte Wiedergeburt aufgrund seines angesammelten Karmas
erwartet. Zudem kann jeder Mensch nach der vollkommenen Erkenntnis
und der Erlösung aus dem Samsara streben. Den Zeitpunkt dafür
kann er allerdings nicht vorherbestimmen.
Können wir die Welt oder die Menschen ändern?
Das Handeln der Menschen hat Auswirkungen auf sie selbst und die Welt,
nicht aber auf die Götter. Taten bestimmen den Ablauf eines Weltzeitalters,
so dass es immer von den Taten der Lebewesen abhängig ist und nicht
von einem göttlichen Schicksal.
Das Glück auf der Erde und im Himmel ist nur
von begrenzter Dauer, weil es immer nur die Folge bedingter Ursachen und
damit vergänglich ist.
Wenn ja: Wie können wir etwas verändern?
Wenn der Mensch auf den einen, wahren Welt-Geist - auf Brahma - meditiert
und sich so bemüht, zur wahren Erkenntnis zu gelangen, kann er den
Lauf der Welt beeinflussen. Die eigentliche, tiefe Bedeutung der heiligen
Schriften enthüllt sich nur dem, der sich solchen geistigen Übungen
unterzogen hat.
Es gibt keine Kirche, die den Hinduismus trägt,
er »lebt« nur in den Gläubigen und in den heiligen Texten!
Gibt es eine richtige Art zu leben?
Viele Hindus haben ihren speziellen Gott erwählt, den sie in liebender
Hingabe verehren.
Die Sittengesetze werden als selbstverständlich
anerkannt und zielen vor allem darauf, geistige Unreinheiten von Habgier
und Selbstsucht auszumerzen. Nach dem Bhagavad-Gita soll sich der Mensch
im Alltagsleben um Reinheit, Selbstbeherrschung, Entsagung, Wahrhaftigkeit
und Gewaltlosigkeit bemühen. Dem Hindu ist zudem bewusst, dass er
mit jeder Handlung sein Karma und das Karma anderer Lebewesen beeinflusst.
Darum soll er jedes Lebewesen genauso hoch wie sich selbst achten und dies
bei seinen Handlungen berücksichtigen.
Für den philosophisch gebildeten Gläubigen,
der als höchstes Lebensziel die letzte Erkenntnis anstrebt, sind die
hinduistischen Schriften nur ein unvollkommener Weg dorthin. Weder Wort
noch Schrift noch Gedanke können die kosmische Einheit wirklich erfassen.
Sie ist nur in der tiefsten meditativen Versenkung zu erfahren, in der
alle Gedanken zur Ruhe kommen. Nur in diesem Zustand kann der wahre Geist
sein Eins-Sein mit dem All-Einen unmittelbar erfahren [94].
Was können wir über die Zukunft wissen?
Die Zukunft eines Menschen ist abhängig von seinem Karma. Seine
abhängige Seele (Jiva) - die mit der Welt verstrickt ist, die die
Auswirkungen sei ner Taten als Schmerz oder Lust empfindet und die
zwischen den Polen der Gegensätze hin- und hergezogen wird - versucht
sich aus dem ewigen Kreislauf von Geburt und Tod zu befreien.
Der Hindu hofft auf das Ende seiner Wiedergeburt,
auf die Erlösung [95].Dabei wird
die Jiva zur Paramatma, der wahren, unsterblichen Seele, die eins mit dem
Brahma ist. Seine Seele wird entweder in einen paradiesischen Himmel zu
den Göttern gelangen oder gar vollkommen aus dem Kreislauf der Wiedergeburten
befreit werden - gottgleich, ewig - aus Atman wird wieder Brahma.
Kritische Fragen
Besonders angetan waren die Ranger von der großen Achtung, die
die Hindus allen Lebewesen entgegenbringen und von der Weitsichtigkeit,
nach der sie ihr Handeln ausrichten. Die Idee des Karmas und damit der
unentrinnbaren »Vergeltung« aller Taten scheint in dieser Hinsicht
einen spürbaren Einfluss auf das Denken und Handeln der Gläubigen
zu haben.
Die Ranger waren von den Vorstellungen der Hindus
und von der schillernden Glaubensvielfalt fasziniert. Allerdings ist es
kaum verwunderlich, dass die meisten von ihnen - im christlichen Abendland
geboren und von wissenschaftlichen Theorien geprägt - kaum einen wirklichen
Zugang zu der Welt von Brahma und Atman, Shiva und Vishnu fanden. Manches
erinnerte sie an Mythen und Märchen, war wohl für ihr Verständnis
zu bildhaft und erschien ihnen deshalb wenig glaubhaft.
Aus diesem Grund konnten wir hier auch keine kritischen
Fragen verfassen.
Zitate
90 = [GLASENAPP
/ Lit. 1, Seite 16 - 17] ... der Hinduismus ist nicht eine Religion, die
von einer bestimmten Persönlichkeit gestiftet worden ist, ... Mit
seiner Eigenschaft als »gewordener«, nicht »gestifteter«
Religion hängt es zusammen, daß der Hinduismus keine fest umrissene
Dogmatik besitzt, ... Vielmehr bleibt es dem einzelnen überlassen,
ob er Atheist, Pan-en-theist oder Theist ist, ob er Vishnu oder Shiva als
den Weltenlenker betrachtet usw. Ebensowenig sind bestimmte Theorien über
die Entstehung der Welt oder ihre materiellen oder immateriellen Komponenten,
über
das Wesen der Seele und ihr Verhältnis zum Leib usw. allgemein verbindlich.
...
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Text
91 = [GLASENAPP
/ Lit. 1, Seite 19] ... Nach der Anschauung der Hindus ist der Kosmos im
Großen wie im Kleinen ein geordnetes Ganzes. Er wird beherrscht von
einem Weltgesetz ..., das sich gleicherweise im sittlichen wie im natürlichen
Leben manifestiert. ...
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Text
92 = [Zitat
Adel Khoury - libanes. Religionswissenschaftler, aus KHOURY
/ Seite 77] ... Das Brahma ist der letzte Urgrund und Ursprung aller Wesen.
Da es als apersonal gedacht ist, ist die Entstehung der Welt aus ihm nicht
das Ergebnis eines Schöpfungsaktes, sondern eher ein fortwährender
Ausfluß seines Seins nach außen hin. So ist das Brahma die
Substanz aller Dinge und aller Lebewesen. Es durchdringt sie alle, bewegt
und belebt sie. Es wird mit dem Atman, dem tiefen Urgrund jedes Dings und
jedes Menschen gleichgestellt. Brahma und Atman sind nicht der logischen
Reflexion zugänglich, sie lassen sich nur in der tiefen Meditation,
der Versenkung und der intuitiven Erkenntnis erleben. ...
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Text
93 = [GLASENAPP
/ Lit. 1, Seite 35] ... daß alle Vielheit aus der Einheit hervorgegangen
sei. In den Brahma-Texten wird dieser Gedanke weiter fortgeführt.
Das All-Eine, das den Urgrund von allem bildet und als innerster Kern alles
Existierenden in allem verborgen ist, wird als das Brahma bezeichnet, als
die »heilige Macht«, ... Das »Brahma«, das Absolute,
das mit dem »Atman«, dem »Selbst«, als innerster
Kern jedes Einzelwesens identisch ist, weil jedes Einzelwesen aus dem Allwesen
hervorging, einen Ausdruck, der für das Denken aller Hindus bis heute
maßgebend gewesen ist. ...
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Text
94 = [GLASENAPP
/ Lit. 1, Seite 47] ... alle Glaubensformen (haben) für die
Welt der Erscheinung Berechtigung ..., (vermögen) die höchste
Wirklichkeit aber nur unvollkommen zu erfassen. Sie sind nur bedingte Teilaspekte
der universellen höchsten Wahrheit, die selbst jenseits des vielheitlichen
Scheins der
(Weltillusion) steht und nur von dem Erkennenden in
der meditativen Versenkung erfahren werden kann. ... Alle Lehren und Kulte
sind Vorstufen für die Gewinnung der absoluten Wahrheit, die jenseits
von Wort und Gedanke steht. Die(se) Lehre ... hat bei den meisten
Hindus so großen Anklang gefunden, daß sie heute unter den
philosophisch Gebildeten als die einflußreichste Ausdrucksform des
orthodoxen Brahmanentums angesehen wird. ...
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95 = [Maitri
6/34, aus KHOURY
/ Seite 86] ... Ohne Brennstoff erlischt das Feuer im eigenen Herd. Auch
das Denken kommt zur Ruhe im eigenen Ursprung, wenn die Unruhe der Gedanken
aufhört. ... Wer durch die Sinnesgegenstände verwirrt ist, der
wird Sklave seiner Handlungen. ... das ist das immerwährende Geheimnis,
man wird, wie man denkt. ... Dein Geist soll frei von Haften und Zerstreuung
sein, ... Sobald er sich jenseits von Denken und Fühlen befindet,
findet er die höchste Wirklichkeit. Das Denken soll unter Kontrolle
gehalten werden, bis es sich im Herzen auflöst. Dies ist Erkenntnis
... Das Denken führt den Menschen zur Verstrickung und zur Befreiung.
Durch Haften führt es zur Verstrickung, durch Loslösung führt
es zur Befreiung. ...
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