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Ebene 3 - Thema ausführlich: »Hinduismus«
[Texte zusammengestellt aus: GLASENAPP, KHOURY, LEX.SEKT., SCHWIKART] Der Text wurde von Nepal Lodh auf sachliche Richtigkeit überprüft (Yogameister, Präsident der Deutsch-Indischen Hindugesellschaft Bremen e.V.)

Einer der vielen Hindugötter ist Shiva, der Zerstörer. 
In der Mitte steht die Silbe OM für Geburt, Leben und Tod. 
Wohl der berühmteste Hindu unserer Zeit war Mahatma GANDHI

Unsere Sinne überschlagen sich regelrecht: Betörende Düfte unbekannter Pflanzen dringen in unsere Nasen. Himmelhohe Berge, öde Steppen und üppige Tropenwälder wechseln einander ab. Bald hören wir fremdartige Musik, die seltsam in unseren Ohren klingt. Vor unserem Bus stehen mitten auf der Straße einige Kühe und etwas weiter hinten geht gerade eine Herde prächtig geschmückter Elefanten vorbei, auf denen fast nackte braune Männer sitzen. Als wir den Blick auf den Straßenrand richten, lächeln uns hübsche Mädchen mit langen schwarzen Zöpfen zu, die in farbenfrohe Tücher gehüllt sind. Auf der Stirn haben sie einen roten Punkt - kein Zweifel, wir sind bei den Hindus. 
    Bald schon gelangen wir an den Ganges, den heiligen Fluss, in dem hunderte von Menschen ein Bad nehmen. Sie verehren den Fluss wie einen Gott. Vor lauter Staunen über die Fakire, die mit steinerner Miene auf einem Nagelbrett sitzen, über die Yogis, die seit Tagen in tiefer Meditation bewegungslos verharren und über allerhand Schlangenbeschwörer, Gaukler und Gurus vergessen wir vollkommen, warum wir hierher kamen. 
    Erst als wir nach stundenlangem Betrachten der zauberhaften Tempel mit ihren Rundbögen, Säulen und Statuen in eine Herberge einkehren und schließlich bei einem scharf gewürzten Reis-Gericht sitzen, erinnern wir uns an unsere Aufgabe. 
    Schnell ist ein weiser Brahmane gefunden, der uns gern von der Welt der Hindus erzählt.

Geschichte
Man geht davon aus, dass der Hinduismus vor etwa 3.800 Jahren entstand, als indoeuropäische Nomaden in das Tal des Indus eindrangen und die dort lebende Bevölkerung unterwarfen. Die Vermischung der Naturreligionen beider Völker wird als die Geburtsstunde des Hinduismus angesehen.
    In diesem Sinne ist es keine durch einen Stifter gegründete Religion wie der Buddhismus oder das Christentum. Diese »Geburt aus dem Volk« hat dazu geführt, dass der Hinduismus auch heute noch sehr lebensnah ist.
    Die ältesten schriftlichen Zeugnisse sind die Veden, die noch heute eine große Bedeutung für viele hinduistische Richtungen haben. Als um 500 v. Chr. der Buddhismus aus dem Hinduismus entstand, kam es zu einer Neuordnung der indischen Religion. Damit begann auch die Aufspaltung in die vielen unterschiedlichen Glaubensrichtungen, die Indien noch heute prägen. Als direkte Erneuerung der Veden werden die Upanishaden angesehen, die neben der Morallehre des Bhagavad-Gita die wesentlichsten philosophischen Texte des Hinduismus darstellen. 
    Für Anhänger eines anderen Glaubens ist es wahrhaft schwierig, im Hinduismus eine einzige Religion zu erkennen [90]. Vor allem der Volksglauben hat in Indien eine Vielzahl von Spielarten hervorgebracht. Das liegt sicherlich auch an der Auffassung der Inder, dass Religion weniger ein Bekenntnis, sondern vielmehr eine ganz persönliche Erfahrung ist. Der Hinduismus ist in dieser Weise offen für sehr viele verschiedene Vorstellungen.
    Seit jeher versteht sich der Hinduismus als rein indische Religion, die keine Missionierung anderer Völker anstrebt und zu der man sich nicht einmal bekennen kann, wenn man nicht als Inder geboren wurde. Doch gerade die Offenheit für die verschiedensten Glaubensinhalte und die Vielfalt dieser geheimnisvollen fremden Religion hat dazu geführt, dass sich viele neureligiöse Sekten im Westen an indischen Glaubensvorstellungen orientieren. 
    In Bezug auf die neuere Geschichte ist ohne Zweifel Mahatma GANDHI der bekannteste Hindu gewesen. Anfang des 20. Jahrhunderts vollbrachte er durch die unermüdliche Umsetzung hinduistischer Tugenden nahezu unglaubliche Leistungen für die friedliche Entwicklung Indiens. 
    Trotz der Beschränkung auf Indien ist der Hinduismus eine der größten Religionen der Welt.

Was können wir über die Welt wissen?
Das Gesetz des Dharma - der ewig wiederkehrenden Weltordnung - ist kennzeichnend für alle hinduistischen Glaubensrichtungen [91]. Seit anfangsloser Zeit folgt ein Universum auf das andere. Die eigentliche Grundlage dafür ist das ungeschaffene, unpersönliche, unendliche reine Bewusstsein: das Brahma. Es durchdringt das Universum, bleibt aber dennoch außerhalb von ihm. Alles ist im tiefsten Grunde eins mit dem unendlichen Brahma. Erscheint Brahma als Kraft der bewussten Wahrnehmung in den Lebewesen, wird es Atman genannt [92] [93]. Ohne Atman wären die Sinne ohne Funktion. 
    Von den wenigsten Hindus wird Brahma als Gott verehrt, meist wird es einfach als ursächliche Wirklichkeit hingenommen, die weder beeinflusst, noch angebetet werden kann. Da der Mensch in den Widrigkeiten des Lebens jedoch einen persönlichen Gott braucht, zu dem er beten kann, tritt Brahma gegenüber dem Menschen in vielen göttlichen Formen auf. 
    Die erste Sichtbarwerdung des Brahma in jedem Universum ist die Aufspaltung in die göttliche Dreieinigkeit von Ishvara, Vishnu und Shiva. Ishvara ist der Herr und Schöpfer, Vishnu versinnbildlicht die schaffenden und erhaltenden Kräfte im Universum und Shiva die verändernden und zerstörenden. 

Diese drei Götter sind die erste Stufe der unüberschaubaren hinduistischen Götterfamilie und der scheinbaren Vielheit der Welt, die aus der wahren Einheit entstanden ist. Wohlgemerkt ist die Schöpfung für den Hindu kein tatsächliches Ereignis, denn alles Geschaffene ist nur eine Einbildung unseres Geistes.
    Viele Hindus beten insbesondere eine ausgewählte, persönliche Gottheit an. Doch egal, welchen Gott jemand verehrt, er ist immer nur eine Verkörperung des Brahma. Damit sind alle Götter im Grunde gleichwertig. Trotz aller persönlicher Verehrung geht man zudem davon aus, dass selbst die Götter letzten Endes nicht wirklich sind, sondern auch nur ein Teil der diesseitigen Erscheinungswelt. Sie ermöglichen es dem Gläubigen jedoch, einen ganz persönlichen Zugang zur Wirklichkeit hinter den Dingen zu finden.
    Viel einheitlicher als die Götterwelt ist die Beschreibung des Gesetzes, das die Welt in Gang hält und Ursache jeder Entwicklung ist. Durch dieses Gesetz von Aktion und Reaktion (Karma) kommt es zur ewigen Wiederkehr des Daseins (Samsara).
    Für den Einzelnen ergibt sich aus diesem Gesetz eine immerwährende Teilnahme am Leben durch die Wiedergeburten (Reinkarnationen). Der Mechanismus des Karma und seine Wirkung auf die Vielfalt der Welt wird recht anschaulich in [GLASENAPP / Lit. 1, Seite 23] beschrieben:

... Nach hinduistischem Glauben ist das Dasein und Schicksal eines jeden Einzelwesens eine notwendige Folge der Taten, welche es in einem früheren Leben vollbrachte. ... Die ungeheure Mannigfaltigkeit der Lebewesen, von den höchsten Göttern bis zu den niedrigsten Würmern, Insekten und Pflanzen, wird von den Hindus auf die ungeheure Mannigfaltigkeit der Taten zurückgeführt, welche vergolten werden müssen. ...

Karma erhält Samsara bis zum Ende eines Zeitalters, bevor alles wieder Brahma wird und von neuem beginnt. 

Ist der Mensch gut oder böse?
Der Mensch als Teil der scheinbaren Welt kann sowohl gut, als auch böse sein. Wenn er das Weltgesetz erkennt, weiß er, dass nur gutes Denken, Reden und Handeln im Sinne der heiligen Schriften die Ordnung erhalten kann. Und da sich sein Handeln als gutes oder schlechtes Karma in seiner Person auswirken wird, hat der Hindu ein natürliches Anliegen, gut zu sein. 

Können wir unser Handeln frei bestimmen?
Jeder Mensch ist Herr seiner Handlungen und bestimmt selbst, ob ihn eine gute oder schlechte Wiedergeburt aufgrund seines angesammelten Karmas erwartet. Zudem kann jeder Mensch nach der vollkommenen Erkenntnis und der Erlösung aus dem Samsara streben. Den Zeitpunkt dafür kann er allerdings nicht vorherbestimmen.

Können wir die Welt oder die Menschen ändern?
Das Handeln der Menschen hat Auswirkungen auf sie selbst und die Welt, nicht aber auf die Götter. Taten bestimmen den Ablauf eines Weltzeitalters, so dass es immer von den Taten der Lebewesen abhängig ist und nicht von einem göttlichen Schicksal. 
    Das Glück auf der Erde und im Himmel ist nur von begrenzter Dauer, weil es immer nur die Folge bedingter Ursachen und damit vergänglich ist.

Wenn ja: Wie können wir etwas verändern?
Wenn der Mensch auf den einen, wahren Welt-Geist - auf Brahma - meditiert und sich so bemüht, zur wahren Erkenntnis zu gelangen, kann er den Lauf der Welt beeinflussen. Die eigentliche, tiefe Bedeutung der heiligen Schriften enthüllt sich nur dem, der sich solchen geistigen Übungen unterzogen hat. 
    Es gibt keine Kirche, die den Hinduismus trägt, er »lebt« nur in den Gläubigen und in den heiligen Texten! 

Gibt es eine richtige Art zu leben?
Viele Hindus haben ihren speziellen Gott erwählt, den sie in liebender Hingabe verehren. 
    Die Sittengesetze werden als selbstverständlich anerkannt und zielen vor allem darauf, geistige Unreinheiten von Habgier und Selbstsucht auszumerzen. Nach dem Bhagavad-Gita soll sich der Mensch im Alltagsleben um Reinheit, Selbstbeherrschung, Entsagung, Wahrhaftigkeit und Gewaltlosigkeit bemühen. Dem Hindu ist zudem bewusst, dass er mit jeder Handlung sein Karma und das Karma anderer Lebewesen beeinflusst. Darum soll er jedes Lebewesen genauso hoch wie sich selbst achten und dies bei seinen Handlungen berücksichtigen.
    Für den philosophisch gebildeten Gläubigen, der als höchstes Lebensziel die letzte Erkenntnis anstrebt, sind die hinduistischen Schriften nur ein unvollkommener Weg dorthin. Weder Wort noch Schrift noch Gedanke können die kosmische Einheit wirklich erfassen. Sie ist nur in der tiefsten meditativen Versenkung zu erfahren, in der alle Gedanken zur Ruhe kommen. Nur in diesem Zustand kann der wahre Geist sein Eins-Sein mit dem All-Einen unmittelbar erfahren [94].

Was können wir über die Zukunft wissen?
Die Zukunft eines Menschen ist abhängig von seinem Karma. Seine abhängige Seele (Jiva) - die mit der Welt verstrickt ist, die die Auswirkungen sei ner Taten als Schmerz oder Lust empfindet und die zwischen den Polen der Gegensätze hin- und hergezogen wird - versucht sich aus dem ewigen Kreislauf von Geburt und Tod zu befreien.
    Der Hindu hofft auf das Ende seiner Wiedergeburt, auf die Erlösung [95].Dabei wird die Jiva zur Paramatma, der wahren, unsterblichen Seele, die eins mit dem Brahma ist. Seine Seele wird entweder in einen paradiesischen Himmel zu den Göttern gelangen oder gar vollkommen aus dem Kreislauf der Wiedergeburten befreit werden - gottgleich, ewig - aus Atman wird wieder Brahma.

Kritische Fragen
Besonders angetan waren die Ranger von der großen Achtung, die die Hindus allen Lebewesen entgegenbringen und von der Weitsichtigkeit, nach der sie ihr Handeln ausrichten. Die Idee des Karmas und damit der unentrinnbaren »Vergeltung« aller Taten scheint in dieser Hinsicht einen spürbaren Einfluss auf das Denken und Handeln der Gläubigen zu haben. 
    Die Ranger waren von den Vorstellungen der Hindus und von der schillernden Glaubensvielfalt fasziniert. Allerdings ist es kaum verwunderlich, dass die meisten von ihnen - im christlichen Abendland geboren und von wissenschaftlichen Theorien geprägt - kaum einen wirklichen Zugang zu der Welt von Brahma und Atman, Shiva und Vishnu fanden. Manches erinnerte sie an Mythen und Märchen, war wohl für ihr Verständnis zu bildhaft und erschien ihnen deshalb wenig glaubhaft. 
    Aus diesem Grund konnten wir hier auch keine kritischen Fragen verfassen. 
 

Zitate

90 = [GLASENAPP / Lit. 1, Seite 16 - 17] ... der Hinduismus ist nicht eine Religion, die von einer bestimmten Persönlichkeit gestiftet worden ist, ... Mit seiner Eigenschaft als »gewordener«, nicht »gestifteter« Religion hängt es zusammen, daß der Hinduismus keine fest umrissene Dogmatik besitzt, ... Vielmehr bleibt es dem einzelnen überlassen, ob er Atheist, Pan-en-theist oder Theist ist, ob er Vishnu oder Shiva als den Weltenlenker betrachtet usw. Ebensowenig sind bestimmte Theorien über die Entstehung der Welt oder ihre materiellen oder immateriellen Komponenten, über das Wesen der Seele und ihr Verhältnis zum Leib usw. allgemein verbindlich. ...
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91 = [GLASENAPP / Lit. 1, Seite 19] ... Nach der Anschauung der Hindus ist der Kosmos im Großen wie im Kleinen ein geordnetes Ganzes. Er wird beherrscht von einem Weltgesetz ..., das sich gleicherweise im sittlichen wie im natürlichen Leben manifestiert. ...
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92 = [Zitat Adel Khoury - libanes. Religionswissenschaftler, aus KHOURY / Seite 77] ... Das Brahma ist der letzte Urgrund und Ursprung aller Wesen. Da es als apersonal gedacht ist, ist die Entstehung der Welt aus ihm nicht das Ergebnis eines Schöpfungsaktes, sondern eher ein fortwährender Ausfluß seines Seins nach außen hin. So ist das Brahma die Substanz aller Dinge und aller Lebewesen. Es durchdringt sie alle, bewegt und belebt sie. Es wird mit dem Atman, dem tiefen Urgrund jedes Dings und jedes Menschen gleichgestellt. Brahma und Atman sind nicht der logischen Reflexion zugänglich, sie lassen sich nur in der tiefen Meditation, der Versenkung und der intuitiven Erkenntnis erleben. ...
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93 = [GLASENAPP / Lit. 1, Seite 35] ... daß alle Vielheit aus der Einheit hervorgegangen sei. In den Brahma-Texten wird dieser Gedanke weiter fortgeführt. Das All-Eine, das den Urgrund von allem bildet und als innerster Kern alles Existierenden in allem verborgen ist, wird als das Brahma bezeichnet, als die »heilige Macht«, ... Das »Brahma«, das Absolute, das mit dem »Atman«, dem »Selbst«, als innerster Kern jedes Einzelwesens identisch ist, weil jedes Einzelwesen aus dem Allwesen hervorging, einen Ausdruck, der für das Denken aller Hindus bis heute maßgebend gewesen ist. ...
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94 = [GLASENAPP / Lit. 1, Seite 47] ... alle Glaubensformen (haben) für die Welt der Erscheinung Berechtigung ..., (vermögen) die höchste Wirklichkeit aber nur unvollkommen zu erfassen. Sie sind nur bedingte Teilaspekte der universellen höchsten Wahrheit, die selbst jenseits des vielheitlichen Scheins der (Weltillusion) steht und nur von dem Erkennenden in der meditativen Versenkung erfahren werden kann. ... Alle Lehren und Kulte sind Vorstufen für die Gewinnung der absoluten Wahrheit, die jenseits von Wort und Gedanke steht. Die(se) Lehre ... hat bei den meisten Hindus so großen Anklang gefunden, daß sie heute unter den philosophisch Gebildeten als die einflußreichste Ausdrucksform des orthodoxen Brahmanentums angesehen wird. ...
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95 = [Maitri 6/34, aus KHOURY / Seite 86] ... Ohne Brennstoff erlischt das Feuer im eigenen Herd. Auch das Denken kommt zur Ruhe im eigenen Ursprung, wenn die Unruhe der Gedanken aufhört. ... Wer durch die Sinnesgegenstände verwirrt ist, der wird Sklave seiner Handlungen. ... das ist das immerwährende Geheimnis, man wird, wie man denkt. ... Dein Geist soll frei von Haften und Zerstreuung sein, ... Sobald er sich jenseits von Denken und Fühlen befindet, findet er die höchste Wirklichkeit. Das Denken soll unter Kontrolle gehalten werden, bis es sich im Herzen auflöst. Dies ist Erkenntnis ... Das Denken führt den Menschen zur Verstrickung und zur Befreiung. Durch Haften führt es zur Verstrickung, durch Loslösung führt es zur Befreiung. ...
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