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Ebene 3 - Thema ausführlich: »Der Wert von Ausdrucksdefinitionen«
Im letzten Abschnitt erwähnten wir die Werte des Menschen. Überlegen Sie doch einmal, was Ihnen alles etwas wert ist [Kap. 5.4.1]. Die Überschrift läßt vermuten, dass wir Ranger recht seltsame Werte haben: Welche Bedeutung haben schon langweilige Ausdrucksdefinitionen? 
    Es sind aber gerade die verwendeten Worte, die oftmals zu Missverständnissen führen. Wir haben bei unseren Arbeitstreffen oft genug Fälle erlebt, wo wir einfach aneinander vorbeiredeten, als ob wir zwei verschiedene Sprachen sprechen würden. Für das Verständnis der folgenden Kapitel hat es also durchaus einen großen Wert, über die verwendeten Ausdrücke nachzudenken, weil eindeutige Worte zwar theoretisch immer das gleiche bedeuten, aber praktisch bei jedem Menschen andere Vorstellungen auslösen. So sind Ihre persönlichen Vorstellungen die Grundvoraussetzung dafür, wie Sie uns verstehen!
    Dazu laden wir Sie nun herzlich zu einem »Tauchausflug« in den Ozean der Gedanken ein.

Denken Sie einmal an solch gegenständliche Dingworte wie »Kugel« oder »Strich«. Bereits diese Worte lassen dutzende Möglichkeiten zu, wie man sich die Kugel oder den Strich vorstellen kann. Sie können sich sicherlich viele Möglichkeiten dazu ausmalen - wenn Sie möchten. 
    Weitaus schwieriger wird es bei umfassenden oder nicht »greifbaren« Begriffen wie »Natur« oder »Liebe«. Selbst so ein oberflächlicher Ausdruck wie »cool« aus der Jugendsprache wird völlig unterschiedlich verstanden, je nachdem, wer ihn benutzt. 
    Und wer kann sich ausmalen, wieviele Vorstellungen sich mit den Worten »unendlich« oder »Gott« verbinden lassen? Wundert es da noch, wenn aus derartig unterschiedlichen Vorstellungen Streitigkeiten, ja Kriege folgen können?

Es war also für jedes Kapitel dieses Buches eine unserer ersten Aufgaben, die verwendeten Ausdrücke halbwegs klar zu umreißen, damit möglichst wenig unterschiedliche Vorstellungen entstehen.
    Dabei ergab sich jedoch eine Schwierigkeit, die wir als: »Das Dilemma der Erklärung von Ausdrücken durch Ausdrücke« bezeichnet haben [17].

Das Problem steckt im Detail:
    Betrachten Sie einmal die Welt um sich herum - ganz spontan, ohne lange nachzudenken. Gelingt es Ihnen für eine Weile, die Welt direkt mit Ihren Sinnen als ungeteiltes Ganzes zu erfahren? 
    Doch erst durch die Aufspaltung der Welt in verschiedene Begriffe kann man anderen Menschen etwas über seine Sinneserfahrungen mitteilen. Dauernd wandeln wir die Ganzheit der Welt in eine Vielzahl von begrenzten Gegenständen und Begriffen um - manchmal bis ins allerkleinste Detail.
    Hinterfragen wir die Begriffe eines anderen, so erklärt er sie mit anderen Ausdrücken, für die jedoch wiederum die gleiche Ungewissheit gilt. Mit einem Satz, wie es Lama Ole Nydahl in einer Einführung über die Lehre Buddhas ausgedrückt hat [NYDAHL / Lit. 1, Seite 27]:

»... Wörter und Vorstellungen sind nur Schatten der Erfahrung. ...«

In diesem Abschnitt wollen wir noch weiter in die Tiefe tauchen. Wir wollen den Begriffen auf den Grund gehen. Haben Sie noch genug Luft in Ihren Atemgeräten? 
    Sie haben vielleicht bemerkt, dass die bisherige Erklärung eine gewisse Unsicherheit in sich birgt, die in der abgestuften Verwendung von »Begriff«, »Ausdruck« und »Wort« liegt.
    Recht unscharf sehen wir die Konturen »des geistigen Meeresgrundes« vor uns. Folgen Sie uns weiter, um die Vielfalt sprachbildender Prozesse in ihrer ganzen Kompliziertheit zu erahnen! Wir wagen uns an eine Definition:

»Worte sind sprachliche Mittel, um die Begriffe, die unser Gehirn von der Wirklichkeit prägt, auf vielfältige Weise zum Ausdruck zu bringen.« (In der Literatur wird häufig keine Unterscheidung zwischen Begriff und Ausdruck gemacht. Wir wollen damit zeigen, dass mehr als ein Schritt der Vereinfachung zwischen der Wahrnehmung und dem Wort liegt.)

Wenn wir also »Wort« sagen, meinen wir das kleinste Sinn-Element einer beliebigen Sprache ohne direkten Bezug zur Bedeutung des Wortes. 
    Wenn wir »Ausdruck« sagen, meinen wir das entsprechende Wort im Sinne eines sprachlichen Abbildes der Wirklichkeit. Der »Ausdruck« ist also nach unserer Definition die vordergründige Wortbedeutung und wird von allen Menschen gleich verstanden.
    Wenn wir dagegen von einem »Begriff« sprechen, beziehen wir uns auf das erste geistige Abbild eines Elementes der Wirklichkeit, das unser Geist einmal erfasst (begriffen) hat. Hier kommt die tiefgründige Wortbedeutung zu Tage, die von jedem Menschen je nach seiner eigenen Vorstellung etwas anders verstanden wird [18].
    Sicherlich ist dieser »Tauchgang« nicht einfach gewesen und erforderte einiges an Konzentration. Falls Ihnen unsere Definition noch nicht klar geworden ist, hilft Ihnen vielleicht das folgende Schaubild.

Die Abbildung zeigt den Vorgang der Versprachlichung am Beispiel »Baum«. Wenn ich dieses Wort höre, ist es ein Wort der deutschen Sprache. Wenn ich es verstehe, ist es ein Ausdruck für einen Aspekt der Wirklichkeit, der meinem Gesprächspartner und mir bekannt ist. Wenn ich ihn nun mit meinen persönlichen Vorstellungen von einem Baum vergleiche - mir einen Begriff davon mache - ist es ein Begriff meiner Fassbarkeit.
    »Träd« ist ein Wort. Da es aus einer fremden Sprache kommt, ist es jedoch wahrscheinlich weder ein Ausdruck noch ein Begriff für Sie. 
    Träd ist schwedisch und heißt Baum. Den Ausdruck »Baum« verstehen Sie und alle Menschen, die Deutsch sprechen. Doch jeder Mensch macht sich davon wiederum einen anderen Begriff, je nachdem, welche Vorstellung - aber auch - welches Gefühl er damit verbindet. Der Schwarzwälder sieht vor dem geistigen Auge vielleicht eine Fichte im dunklen Nadelwald und der Niedersachse eine lichte, freistehende Birke. 
    Wenn wir wollen, das Sie unsere Gedanken richtig verstehen, müssen wir mit unseren Ausdrücken bei Ihnen ähnliche Begriffe hervorrufen wie bei uns. Das meinte der letzte Satz des vorigen Kapitels »...wenn Sie unsere Worte so verstanden haben, wie wir sie meinten!«

Keine Angst! Da dieses Problem unmöglich umfassend zu lösen ist, haben wir uns auf die abstrakteren oder uns besonders wichtig erscheinenden Ausdrücke beschränkt. Denn trotz der Abweichungen im Beispiel »Baum« sind solche gegenständlichen Ausdrücke sicherlich unstrittig, da sie bei jedem Menschen Vorstellungen erzeugen, die den Sinn eines Zusammenhanges kaum gefährden, egal ob sie so oder so vorgestellt werden.

Wir werden also so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich definieren.

Und »definieren« heißt hier »eine Bedeutung zuweisen«. Das haben wir soeben bei »Wort«, »Ausdruck« und »Begriff« auch gemacht - eine (mögliche) Bedeutung hineingelegt. Es geht also nicht darum, die »wahre« Bedeutung eines Wortes zu finden, sondern nur eine mögliche Bedeutung im Sinne einer besseren Verständlichkeit festzulegen[19].

... Je häufiger oder intensiver man an etwas denkt, desto mehr festigt sich das zugehörige Netzwerk der gemeinsam feuernden Nervenzellen... 
    [WOCHE-29.1 / Seite 27] 
 

Zitate

17 = [RHEINZ / Lit. 1, Seite 10] ... Während die einen Abhandlungen über die Seele verfassen, faseln die anderen über Geist, Selbst und Bewußtseinsstufen, so als handele es sich um ein und dieselbe Sache. Denn wo der Betrachter Klarheit sucht, erwartet ihn ein Tohuwabohu der Bauherren, die bereits komplizierte Skizzen des Gebäudes umherschwenken, obwohl sie sich noch nicht einmal über die grundlegenderen Fragen der Statik einigen konnten. 
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18 = [Zitat Keith Basso - am. Sprachforscher, aus COYOTE-3 / Seite 35] ... Obwohl viele dieser alten (Apachen) Englisch sprechen, zogen sie es immer noch vor, sich auf Apache mitzuteilen, weil es endlos viele Begriffe gibt, für die keine Entsprechungen im Englischen bereitstehen. ...
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19 = [FREESE / P, 155] ... Begriffe (Anm.: in unserem Sinne »Ausdrücke«), die von dem, der sie verwendet, nicht auf das, was sie repräsentieren und wofür sie stehen, zurückgeführt werden können, sind wie Falschgeld oder ungedeckte Schecks. ...
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