... Die westliche Technologie und die Menschen, die sich ihrer
bedienen, stellen das erstaunlichste Zerstörungspotential dar, das
die Menschheit jemals gekannt hat. Keine Naturkatastrophe der Geschichte
hat jemals soviel Zerstörung angerichtet. ...
[SOTSISOWAH
/ Lit. 1, Seite 20]
Wenn man die technische Entwicklung der letzten hundert Jahre betrachtet,
dann ist es fast nicht zu glauben, dass die meisten der heute üblichen
Technologien bereits zur Jahrtausendwende bekannt waren. In dem besonders
empfehlenswerten Buch »Faktor 4« [WEIZSÄCKER]
können Sie fast alle Ideen nachlesen, die ich im folgenden beschrieben
habe. Leider hat sich damals kaum jemand dafür interessiert. Nicht
einmal das 3-l-Auto wurde ernsthaft erwogen, obwohl zur gleichen Zeit bereits
das 1-l-Auto technisch und wirtschaftlich machbar gewesen wäre. Es
musste erst zur »Human Apocalypse« kommen, bis die Menschen
diese intelligenten Ideen weltweit in die Tat umsetzten.
Wenn ich heute etwas über die gigantische Umweltzerstörungsmaschinerie
Ihrer Zeit höre, dann bekomme ich eine Gänsehaut. Es ist unfassbar
- nein, mehr noch - es gibt einfach keine Worte dafür, mit welcher
Sorglosigkeit, Naivität und Dummheit die Menschen dieser Zeit ganz
selbstverständlich hantierten. Alles, was Spaß machte, die Bequemlichkeit
und den Lebensgenuss erhöhte oder schneller, weiter und stärker
war, wurde vollkommen ohne ökosoziale Folgenabschätzung hergestellt
und in unglaublichen Mengen an den Mann gebracht.
Heute ist es absolut undenkbar, dass jeder Mensch
ein eigenes Auto besitzen könnte und zum Glück gibt es auch nicht
mehr so viele Leute, die solch argwöhnisch gehütetes Spielzeug
nötig hätten! Die wilden Kindheits- und Jugendjahre der Menschheit,
die zu stark von begeistertem Machbarkeitswahn gezeichnet waren, sind -
hoffentlich! - endgültig vorbei! Doch glauben Sie nicht, die Leute
hätten heute weniger Spaß am Leben...
Zu unserem Wohnfamilienpark gehört ein »Esoro
group«. Das ist ein 9-sitziges, schweizerisches Auto nach dem neuesten
technischen Standard. Es besteht - wie 90 % aller Autos - aus Kohlefaser
und anderen ultraleichten Werkstoffen, so dass das ganze Fahrzeug nicht
einmal 420 kg wiegt. Der group ist mit einem Elektromotor ausgestattet,
der aus einer hocheffizienten Lithiumbatterie gespeist wird und mit umgerechnet
1,3 l Benzin auf 100 km auskommt. Um diesen guten Verbrauchswert zu erhalten,
sind noch Leichtlaufreifen und die Rückgewinnung der Bremsenergie
nötig. Heute umgibt sich nicht mehr jeder Autofahrer mit einer Tonne
rostanfälligem Schrott, der neunmal soviel braucht wie unser Esoro.
Allerdings weiß ich auch, dass Ihre Landsleute damals auf schnelle
Autos standen. Um Geschwindigkeit zu erleben, fährt man heutzutage
Bahn oder »CyberTran«, denn alle Autos sind technisch auf 130
km/h begrenzt. Viele Autos fahren übrigens auch mit Wasserstoff.
Die Bahn, die hauptsächlich für Langstrecken
in andere Bundesstaaten eingesetzt wird, hat meine Frau ja bereits beschrieben.
Und was CyberTran ist, das sollte ich Ihnen als Mitarbeiter der Schwebebahn-Export
AG erklären; der Firma, die die Hochschienen in Deutschland verlegt
und wartet.
Eine Spur sämtlicher Autobahnen ist am Boden
aufgerissen und renaturiert worden. Darüber fährt heute CyberTran
- die moderne Schwebebahn - die über aufgestelzte Schienen fährt.
Jeder Wagen hat 12 bis 32 Sitzplätze, ist nur 11,50 m lang und besteht
aus Glasfaserverbundstoffen in einem Stahlrahmen. Das Gefährt wird
ferngelenkt und wird von zwei 75-kW-Elektromotoren auf 240 km/h gebracht.
Für 100 km reicht die Strahlungsenergie, die 0,8 l Benzin entspricht.
Bei Entfernungen bis zu 500 km ist CyberTran ebensoschnell wie das Flugzeug,
wenn man die ganzen Zeiten bis zum Abflug und nach der Landung hinzurechnet.
Dazu stehen an jeder Autobahnausfahrt ausreichend CyberTrans zur Verfügung,
die mittels einer blitzschnellen Computerbuchung von zu Hause oder vor
Ort mit mindestens 80 % Personen-Auslastung auf Schienen gleiten - wo immer
man hin möchte. Auf der »alten« Autobahnspur daneben gibt
es übrigens keine Staus mehr. Einmal, weil viel weniger Autos gefahren
werden und zum zweiten, weil der Abstand der Autos zueinander und die Geschwindigkeit
nur noch bedingt vom Fahrer beeinflusst werden können. Manchmal ist
es schon schade, dass die Technik uns so vieles vorschreibt. ...
Wesentlich weniger anders als zu Ihrer Zeit sehen
unsere Häuser aus. Die meisten stammen ohnehin noch aus dem 20. Jahrhundert
und sind nur technisch aufgerüstet worden. Unser Haus zum Beispiel
ist mit einer steuerbaren transparenten Wärmedämmung der Außenwände,
einem wassergefüllten Kühldach und Super-Isofenstern ausgestattet,
die 3/4 des Lichts und 50 % der Energie rein, aber praktisch keine Wärme
rein- und rauslassen. Den Großteil des täglichen Lichtbedarfes
erhalten wir ganz einfach von draußen, indem das Tageslicht über
spezielle Leitungen in alle Räume gebracht wird. Wird es dunkel, dann
schalten sich automatisch elektrische Lampen zu - je nach Lichtbedarf.
Wer bei uns eine Heizung sucht, der wird vergeblich suchen! Die Rückgewinnung
der Raumwärme aus Abluft und Abwasser, die Wärmeabgabe der elektrischen
Geräte und die Super-Isolierung des Hauses reichen aus, um auch den
kältesten Winter warm zu überstehen. Nun ja, der bringt ja weltweit
aufgrund der Klimakatastrophe kaum noch Kälte mit sich, so dass wir
unsere Häuser viel öfter vor der Wärme schützen müssen,
was durch das Kühldach erreicht wird, das ich schon genannt habe.
Würden Sie sich in unserer Wohnung umschauen
können, gäbe es viel zu entdecken, was Ihnen bekannt vorkommt
und was doch ganz anders ist. Die in Ihrer Zeit angedachte Vollautomatisierung
der Küche wurde nach der »Human Apocalypse« nicht wieder
aufgegriffen. Ein bisschen Hausarbeit gehört einfach zur Lebensbeschäftigung
dazu. Wichtig ist der Energieeinsatz für die Haushaltsgeräte,
der heute 74 % geringer ist als früher. Wir erreichen das zum Beispiel
durch doppelwandige, hitzespeichernde Spezialtöpfe, einen Kühlschrank
mit Außenluftkühlung und Vakuum-Isolierung und eine Waschmaschine
mit intelligenten Sensoren, die die benötigte Wasser- und Waschmittelmenge
genau nach dem Verschmutzungsgrad der Wäsche ermitteln. Das warme
Wasser, das wir benötigen, wird bei uns aus einem parkeigenen Windrad
und einer kleinen Biogasanlage, die vom Dung der beiden Kühe und Pferde
gespeist wird, erzeugt.
Apropos Wasser: 80 % des Wassers stammt entweder
aus entsalztem Meerwasser oder aufbereiteten Abwässern. Der Rest -
zum Trinken, Kochen und Duschen - ist sauberes Trinkwasser. Dazu haben
wir heute ein doppeltes Rohrleitungssystem.
Die Siedlungen, die nicht über eine eigene
Energieerzeugung verfügen, sind an das weltweite Stromversorgungsnetz
angeschlossen, das zu 83 % mit Solarstrom aus Photovoltaik*
versorgt wird. Der Rest kommt aus Osmose-Kraftwerken - die den Stromfluss
zwischen Salz- und Süßwasser an den Küsten nutzen -, aus
Windparks, geothermalen Zapfstellen, Wasserkraftwerken und so weiter. Um
den hohen Anteil direkten Solarstromes zu erreichen, waren die internationalen
Economy Zones notwendig, die meine Frau eingangs schon erwähnt hat.
In diesen sonnenreichen Wüstengebieten stehen gigantische Solarparks,
die einerseits Wasserstoff erzeugen, der durch Pipelines in alle Welt transportiert
wird, und andererseits eben Elektrizität für das Netz.
Manche Maßnahmen zur Energieeinsparung nach
der Katastrophenzeit waren wirklich simpel und brachten dennoch einen großen
Nutzen. So zum Beispiel die Umstellung des Haushaltsstromes auf 48 V Gleichstrom,
was zu einem 2,5 mal bessereren Wirkungsgrad gegenüber dem früheren
220 V Wechselstrom geführt hat. Zudem wurden keine neuen Kupferleitungen
benötigt, denn die Kupferlagerstätten der Erde sind nahezu restlos
ausgebeutet - wie viele andere Rohstoffquellen auch.
Dennoch leben wir und haben einen nie gekannten technischen Standard,
der es uns ermöglicht, die ganze Menschheit mit ausreichend Energie
und Rohstoffen zu versorgen - weil bei gleichem Nutzen (!) nur noch weniger
als 1/6 der Energie benötigt wird und gar nur 1/10 der Rohstoffe.
Wir sind abhängiger von der Technik als je zuvor, aber wir haben endlich
wieder das erreicht, was die anderen Lebewesen dieses Planeten schon seit
Jahrmillionen können - nicht mehr Energie einzusetzen als die Sonne
liefert!
Auch wenn das gültige Klimaschutzabkommen eine Verdreifachung der
Sollwerte des Kyoto-Protokolles von 1999 enthält, die globale Vergiftung
mit chemischen Stoffen oder Radioaktivität vollkommen eingedämmt
ist, die Menschen endlich in Frieden leben und sich nicht mehr ungehemmt
vermehren - so wird es dennoch viele Jahrhunderte dauern, bis die Wunden
geheilt sind, die der Mensch dem System Erde zugefügt hat. Keine Technik
der Welt kann die Millionen von Pflanzen- und Tierarten ins Leben zurückholen,
die wir vernichtet haben; kein menschlicher Scharfsinn bringt die Erde
wieder ins klimatische Gleichgewicht - es bleibt einzig und allein der
Natur überlassen wie seit dem Anbeginn der Zeit.
Doch was ist »die Natur«? Sind wir nicht
selbst ein Teil davon? Richtig! Wir sind ein Teil der Ganzheit,
das untrennbar eingebunden ist in die Systeme des Universums. Das macht
uns verantwortlich für das Ganze. So wie jede Zelle eines Körpers
mitverantwortlich für das Funktionieren des Menschen ist, zu dem sie
gehört. Jede Zelle, die sich »aus eigenem Willen« ge gen
dieses Prinzip wendet, entartet und gefährdet das Gesamtsystem in
Form einer wuchernden, alles vernichtenden Zellmasse. Werden diese Zellen
nicht rechtzeitig vernichtet, stirbt der Mensch. Zum Glück hat die
Menschheit diesen Zusammenhang im allerletzten Moment erkannt und sich
nach einer äußerst schmerzhaften »Reinigung« wieder
in die Natur eingefügt!
Heute ist der Übergang von der Verbrauchs- zur Erhaltungsgesellschaft
endlich vollzogen. Das irrsinnige Denken in grenzenlosem Mengenwachstum
ist einem gemeinsam-verantwortlichen Denken in harmonischen Qualitäts-Wachstum
gewichen. Über allen Zielen steht heute die Wiederherstellung der
biologischen Vielfalt und das Recht aller Lebewesen auf Leben...
*) =
Dünne Siliziumplatten, die auftreffende Lichtenergie in Elektrizität
verwandeln (zurück zum Text)
Liebe Leserin,
Lieber Leser,
wir wünschen Ihnen und uns die Erkenntnis einer globalen Wahrheit;
sowie die Weisheit und den Mut, diese Wahrheit zu leben und zu verbreiten:
Damit der Mensch auf der Suche nach der Welt von Morgen den goldenen
Weg der Mitte rechtzeitig wiederfindet und nicht in den Abgrund stürzt.
... Ich habe Worte und immer wieder Worte gehört, doch nichts
wird getan. Ehrlichen Worten müssen bald Taten folgen. ... Gute Worte
geben meinem Volk keine Gesundheit und hindern es nicht am Sterben. ...
Ich bin des ewigen Redens - das zu nichts führt - müde.
[Zitat HIN-MOT-TOO-YAH-LAT-THEKT,
aus McLUHAN / Lit. 1, Seite 129]
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