Letztes

Download

zur Frage

Leser-Beiträge

Nächstes

 
Ebene 3 - Thema ausführlich: »Gruß aus der Zukunft« -Teil 2-
Im ersten Jahr nach der Jahrtausendwende schien die Welt für die meisten Menschen noch in Ordnung zu sein. Man vertraute auf das zunehmende Wirtschaftswachstum, auf die Kräfte der Globalisierung, auf die Wirksamkeit des Kyoto-Protokolles* und auf die großartigen Möglichkeiten moderner Technologien. Der Widerstand aus den Reihen der Naturschützer und Globalisierungsgegner mutetet damals noch wie ein Sturm im Wasserglas an. Wenn von Problemen die Rede war, richteten sich die meisten Augen auf das Wirtschaftswachstum, den Arbeitsmarkt, die Aktienkurse oder die Kriegsgebiete der Welt. Selbst der BSE-Skandal bei Rindern wurde schnell wieder vergessen und führte nicht zu einem nachhaltig verändertem Verhal ten der Verbraucher oder Politiker. 
    Dann erlitt die Welt im September 2001 mit den schrecklichen Terroranschlägen auf die USA ihren ersten großen Schock in diesem Jahrtausend. Sie lösten eine kriegerische Vergeltungsaktion Amerikas aus - der Beginn einer Kette von blutigen Anschlägen und Rachefeldzügen zwischen dem Westen und selbsternannten heiligen Kriegern aus einigen islamischen Staaten. In den großen Städten der Welt regierte viele Jahre lang die Angst und die Menschen richteten ihre ganze Aufmerksamkeit nur noch auf die Entwicklung dieser Gewaltausbrüche. Der »Krieg« gegen die Natur, der ungehemmt weitertobte, verschwand fast völlig aus dem Blickwinkel. 
    Dennoch gab es damals einige besonnene Menschen, die erkannten, dass die Ursachen für die wachsende Schere zwischen Arm und Reich, der islamische Extremismus und die Umweltzerstörung aus der gleichen Wurzel wuchsen: Es war die unaufhaltsame Globalisierung der materialistischen Konsumgesellschaft! 
    Diese Art der Globalisierung wies nicht den Weg ins »goldene Zeitalter«, da sie vor allem marktwirtschaftlichen Gesetzen folgte statt einer gesellschaftspolitischen und multikulturellen »Evolution«. Der Abstand zwischen Reich und Arm, zwischen Mächtigen und Ohnmächtigen, zwischen Konsumgläubigen und Andersgläubigen wurde immer größer. Aus dieser Erkenntnis entstanden einige große Organisationen wie »Global Attac« oder »Safe Humans World«, in denen die vereinten Globalisierungsgegner weltweit - und meistens friedlich - Druck auf die Politik ausübten. Doch die Macht der Wirtschaft hinter den Politikern offenbarte sich als weitaus größer und schwieriger zu beeinflussen.
    Vermutlich war es auch den mächtigen Konzernen zu verdanken, dass die Umweltpolitik in jenen Jahren einen schweren Rückschlag erlitt, als der republikanische Präsident der USA die Teilnahme an den Klimaschutz-Konventionen versagte und so im wahrsten Sinne des Wortes auf das »Gaspedal der Wirtschaft« trat. 
    Im Jahre 2012 - als die Verlängerung der Klimakonventionen fällig war - konnten nur Minimalquoten für die Verringerung des Kohlendioxidausstoßes getroffen werden. Russland baute weiter auf völlig überalterte Atomkraftwerke, ließ seine Urwälder von japanischen Unternehmen hemmungslos abholzen und unternahmen nichts gegen die riesigen öl- und radioaktiv verseuchten Landstriche in Sibirien. Selbst die tropischen Regenwälder, für die seit langem schon gekämpft wurde, waren immer noch Gegenstand rein finanzieller Überlegungen. 
    Nur ganz wenige Länder wie Jakutien, Costa Rica, Gabun, Holland, Schweden oder das wieder unabhängige Tibet nahmen ihre Verantwortung gegenüber der Natur trotz internationaler Verunglimpfung ernst. 
    Bei uns in Deutschland konnte der »grüne« Teil der Regierung leider nicht viel erreichen. Bis auf einen beschleunigten Atomausstieg und eine bindende Quote von 20 % für ökologisch erzeugte Lebensmittel wurde bis 2006 kaum etwas Wesentliches erreicht. Stattdessen nahm die Zerstörung der Natur weiter zu; Straßen und gigantische Einkaufsstädte wurden gebaut; immer anspruchsvollere Menschen zogen in immer größere Eigenheime ins Grüne; der Kaufrausch und die Entwicklung noch ausgeklügelterer »Elektronikspielzeuge« zog die Leute in ihren Bann und machte sie blind für die gefährlichen Veränderungen, die sich in Deutschland und auf der ganzen Welt vollzogen. Das Aussterben von Pflanzen- und Tierarten nahm immer größere Ausmaße an. In Deutschland verschwand bis 2010 z.B. der Fischotter und der Dachs, der Haussperling, der Weißstorch und der Wanderfalke, die Gelbbauchunke und die Kreuzotter - unbemerkt von den meisten Menschen. Gleichzeitig meldete der WWF ständig neue Verluste weltweit: Der große Panda, der sibirische Tiger, das Spitzmaulnashorn oder der Grizzlybär waren nur einige der bekanntesten Verlierer, ganz zu schweigen von den unzähligen Pflanzenarten, die auf Nimmerwiedersehen von der Erdoberfläche verschwanden. 
    Zudem häuften sich die Nachrichten über verheerende Stürme, abschmelzende Gletscher und Skandale um allerhand hochgiftige Stoffe. Doch die Politiker nahmen es als traurige, aber unvermeidliche Schicksalsschläge hin. Die Erfolge der Gentechnik, die in diesen Jahren Schlag auf Schlag durch die Presse geisterten, erschienen ihnen weitaus bedeutsamer und versprachen in ihrer Vorstellung Lösungen für nahezu alle »biologisch gelagerten« Probleme der Menschheit. Und das Terrorproblem, das nach wie vor für Angst und Schrecken sorgte, wurde mit allen Mitteln bekämpft und verhütet - die Globalisierung wurde jedoch nach wie vor kaum in Frage gestellt. 

Nach unserer heutigen Auffassung unvermeidlich, spitzte sich die Lage der Welt immer mehr zu - wie immer bei Entwicklungen, die einem exponentiell wachsenden Verlauf folgen. 
    In den frühen zwanziger Jahren des 21. Jahrhunderts kam es zu einem - glücklicherweise regional begrenzten - Atomkrieg zwischen Pakistan und Indien. Der Grund war eine enorme Wasserknappheit im islamischen Pakistan und Afghanistan, die durch das Mauern der prowestlichen indischen Regierung massiv verschlimmert wurde. Auch in anderen Teilen der Welt flammten jetzt bewaffnete Konflikte auf, die nun in der Mehrzahl um Rohstoffe und Energieträger gingen - zwischen den USA und den arabischen Staaten in direkter Folge aus den Terrorkriegen, zwischen China und Japan, und zwischen Russland und den ehemaligen Staaten der asiatischen Sowjetunion. Dabei wurden unter anderem geklonte, »bewusstseinsreduzierte« Soldaten eingesetzt, eine Perversion der Gentechnik. Nur durch das entschiedene Auftreten der UNO und aller Nicht-Regierungs-Organisationen der Erde ließ sich ein dritter Weltkrieg Ende 2024 verhindern.
    Die Staatengemeinschaft und die großen Anti-Globalisierungs-Verbände wiesen damals verzweifelt auf den labilen Zustand der Lebensgemeinschaft Erde hin: Auf die steigenden Meere, denen bereits mehrere Inseln zum Opfer gefallen waren und die mit immer größeren und teureren Deichbauwerken aufgehalten werden mussten; auf das galloppierende Artensterben, das weltweit unvorhersehbare Folgen hatte und so empfindlich auf die Staatskassen vieler Länder drückte; auf die immense Seuchengefahr, auf Wassermangel und Hungersnöte durch die 7,7 Milliarden Menschen, die damals den Globus bevölkerten und auf die absehbar schwindenden Rohstoff- und Energiereserven. Man versuchte der Welt begreiflich zu machen, dass bereits ein Weltkrieg entbrannt war, der viel schlimmere Folgen haben würde als alle bewaffneten Konflikte der Vergangenheit - der Krieg gegen die Natur. Dieser Krieg mache die Menschen aller Staaten gleich und sei nur zu gewinnen durch einen gemeinsamen Kampf gegen die eigene Unvernunft - so argumentierte die UNO damals.
    Doch all diese alarmierenden Fakten waren es nicht, die die verfeindeten Parteien schließlich zum Einlenken drängten. Es waren die stark gestiegenen Preise für Lebensmittel, die durch Engpässe aufgrund von Dürren, Überschwemmungen und Pflanzenbefall entstanden waren; einer direkten Folge der menschengemachten Klimaveränderungen. 
    Der Weltvertrag von Moskau im Jahre 2025 war wohl der entscheidende Schritt zu der vollkommen neuen Weltordnung, die wir heute haben!
    Doch für einen glimpflichen Verlauf der ökologischen Krise war es da mals bereits viel zu spät - Jahrzehnte zu spät!
    Es kam, wie es kommen musste: Innerhalb von dreißig Jahren brach eine Katastrophe über die Menschheit herein, die durch einen Vergleich des damaligen Papstes schnell als »Human Apocalypse« in die Geschichte einging. ...

Die Weltmitteltemperatur stieg dramatisch an - um 5,3° C seit 2000 - und ließ die Polkappen und Gletscher der Erde bis auf ein Minimum schmelzen. Durch das ablaufende Wasser aus dem Festlandeis stieg der Meeresspiegel so stark an, dass ungeheuer große Landmassen überflutet wurden. Fast ganz Holland und Bangladesh, große Teile des US-amerikanischen Südostens und unzählige andere Gebiete, die man auf der Karte erkennen kann, wurden Opfer der Wassermassen. Millionen von Menschen verloren ihre Heimat und zogen als Klimaflüchtlinge durch die Lande. Gleichzeitig nahmen die Dürren, die Waldbrände und Insektenplagen gigantische Ausmaße an und stürzten einen Großteil der Menschheit in eine Hungersnot. Nur noch die reichen Menschen der großen Industrieländer konnten sich noch einigermaßen ausreichend ernähren. Durch den einsetzenden Geldmangel kam die Produktion der Industrie teilweise vollständig zum Erliegen. Millionenheere von Arbeitslosen entstanden, die ihrer Unzufriedenheit und Not mit gewaltgeladenen Krawallen Luft machten. 
    Dann versiegten die letzten Erdöl- und Erdgaslagerstätten und das Kupfer wurde immer knapper. Welche Auswirkungen das auf die ohnehin bereits taumelnde Weltwirtschaft hatte, braucht kaum beschrieben zu werden. Einfach alles, »was an einer Steckdose« oder einem »Benzinschlauch« hing, kam zum Erliegen. Es herrschten Zustände wie kurz nach dem zweiten Weltkrieg - Menschen zogen plündernd und hamsternd durch die Länder und versuchten sich mehr schlecht als recht über Wasser zu halten. Natürlich kam dabei auch die Gesundheitsversorgung weltweit in engste Bedrängnis. Überall flammten Seuchenherde auf - Tuberkulose, Diphtherie, Malaria selbst in Mitteleuropa. Nach weniger als einem Jahre waren die Medikamentenvorräte aufgebraucht. Es setzte ein Massensterben ein, dass mit keinem Krieg vergleichbar war, der je zuvor stattgefunden hat. 1,5 Milliarden Menschen fanden von 2047 bis 2050 den Tod, das waren fast 20 % der gesamten Weltbevölkerung.
    Doch das Pendel schwang tatsächlich zurück - und als Reaktion auf die alles zerstörende »Human Apocalypse«« entstanden die Wurzeln der neuen vernunftgetragenen Weltordnung.

Die Menschen erinnerten sich an die Vorhersagen der ökologischen Bewegung, an die Agenda 21**, an die einstmals so belächelten »grünen Spinner«, an große Weise wie den DALAI LAMA oder Albert SCHWEITZER. Überall wurde die Hilferufe nach Menschen laut, die die Ursachen der Katastrophe kannten und die seit langem beständig die Auswege aus der Krise gezeigt oder vorgelebt hatten. Die bestehenden Regierungen der meisten Länder wurden innerhalb von nur fünf Jahren gestürzt und man setzte vorläufige Krisenregierungen ein, die aus solchen Hoffnungsträgern bestanden. Für Missbrauch und dunkle Geschäfte war einfach keine Zeit und keine Gelegenheit. Die neu ernannten Politiker gaben wohl das Beste, was je von führenden Menschen gegeben wurde! Dennoch konnte damals von Demokratie keine Rede sein - es war vielmehr eine »Diktatur der Vernunft«, die die Welt in diesen schweren Jahren regierte. Anfangs ging es ums nackte Überleben, um die Sicherung der letzten Naturschätze, um den Zusammenhalt der Menschheit. 
    Meine Eltern haben diese Zeit noch miterlebt, sie wurden während der »Human Apocalypse« geboren und gehören zu der Generation, die die Menschheit ins Erwachsenwerden führte. Doch sie reden wie die meisten ihrer Altersgenossen nicht gern darüber - zu viel Leiden sind damit verbunden, als das noch jemand zurückblicken möchte. Was blieb, sind nur die Hoffnung, die Einsicht und die Veränderungen, die diese Generation in der Not gesät hat.
    Ich gehöre zu der ersten Generation, die diese Früchte nun erntet; die in eine Welt des Neubeginns geboren wurde, in eine Welt trauriger Erinnerungen an eine vergangene Zeit der natürlichen Vielfalt und des blühenden Lebens, in eine Welt unermesslicher und erdrückender menschlicher Schuld - doch auch in eine Welt voller neuer Hoffnungen auf eine bessere Zukunft!
    Es ist, als ob der Mensch sich gehäutet hätte: Aus den Trümmern der Vergangenheit ist ein neuer Mensch entstanden, ein wahrer Homo sapiens, der nun den ernsthaften Versuch gestartet hat, in Einklang mit allen anderen Lebewesen den weiteren Weg der Evolution zu gehen. Es werden noch hunderttausende von Jahren vergehen, bevor die Erde wieder in der gleichen Kraft und Vielfalt erblüht wie vor der »Machtergreifung« des Menschen. Doch was sind schon hunderttausend Jahre in der Unendlichkeit des Universums?

Der Mensch hat das rechte Maß wiedergefunden und jagt nicht mehr den falschen Zielen nach. Er nimmt nur noch Teil am große Ganzen und versucht, eine Kultur zu schaffen, die sich harmonisch in die Systeme des Universums einfügt - vielleicht in einer endlosen Abfolge von Lebenszeiten, die jeder Einzelne immer wieder als etwas Einmaliges erlebt, die aber in Wirklichkeit eine immerwährende Teilnahme am gemeinsamen Bewusstseinsstrom der Menschheit darstellt? 
    Sie können sich sicherlich vorstellen, dass viele Dinge des menschlichen Lebens nicht mehr so sind, wie Sie sie kennengelernt haben. Vor allem Ihr Verständnis für Demokratie wird wahrscheinlich auf eine harte Probe gestellt. Doch glauben Sie mir: Der Menschheit blieb keine andere Wahl!
    Ich werde Ihnen nun ein wenig von meiner Welt beschreiben.

*) =    Abschlussprotokoll der weltweiten Klimaverhandlungen 1999 in Kyoto / Japan (zurück zur Textstelle)

**) =  Weltweite Handlungsrichtlinie für eine nachhaltige Entwicklung (siehe Kapitel 3.2) (zurück zur Textstelle)
 

Seitenanfang