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Ebene 3 - Thema ausführlich: »Ein Streiflicht« |
Wie beginnt man ein philosophisches Projekt mit Jugendlichen? Ich nahm
einen Artikel aus einem Robin-Wood*
Magazin über die Einstellung der Jugend zur Natur (»Das Bambi-Syndrom«)
zur Hand und dachte nach...
Nach dem Artikel - der auf einer Untersuchung Marburger Erziehungswissenschaftler bei 2.500 Schülern beruhte - ist in der jungen Generation eine tiefgreifende Naturentfremdung festzustellen [1]. Obwohl der weitaus größte Teil der Schüler angab, nicht ohne Wald auskommen zu können, verfügten nur wenige über ausreichende Artenkenntnisse. Der Hälfte fiel auf Anhieb kein einziges Erlebnis im oder mit dem Wald ein. Die Natur stellt zwar einen hohen Wert bei der Jugend dar, wird aber als krasser Gegensatz zur Menschenwelt betrachtet [2] [3]! Sobald in irgendeiner Weise Naturnutzung oder Beeinflussung einer Landschaft ins Gespräch kamen, war der Begriff »Natur« in den Augen der Schüler nicht mehr angebracht. Der Mensch wurde ganz klar als der größte Feind der Natur definiert, niemals als Teil des Ganzen [4] [5]! Dennoch waren die meisten der Ansicht, man müsse der bedrohten Natur helfen - beispielsweise mit Pflanzaktionen oder Nistkästen für Vögel. Auf der Grundlage dieses Artikels entwarf ich einen Fragebogen zu Werten,
Interessen, Glauben und Wissen von Schülern. Im Anschluss an unser
erstes Treffen bat ich die Ranger, diesen Fragebogen von möglichst
vielen Mitschülern ausfüllen zu lassen.
Die heutige Jugend ist sehr zwiespältig. Einerseits verfügt
sie über ein umfangreiches Wissen bezüglich der Zusammenhänge
in der Welt und hat durchaus die gleichen grundlegenden Werte,
die wahrscheinlich jede lebensfähige Gesellschaft kennzeichnen. So
stehen z.B. Gesundheit, harmonisches Familienleben, (geistige) Liebe und
Hilfsbereitschaft ganz oben. Daneben jedoch haben die Verlockungen der
modernen Wirtschaftsgesellschaft einen nicht zu übersehenden Einfluss
auf sehr viele Jugendliche.
Alles in allem waren wir einer Meinung, dass der angeborene Eigennutz des Menschen (im Sinne eines vorteilhaften Überlebenswillens) durch die einseitige Leistungsgesellschaft bereits in der Schule zu stark gefördert wird. Sie kann in Selbstsucht umschlagen und so die anfangs genannten grundlegenden Werte zugunsten nachrangiger Werte wie »Freiheit« oder »Fun« deutlich abschwächen. Offensichtlich wird die heutige Jugend mehr als früher zwischen ihren Vorstellungen und den Ansprüchen der Erwachsenenwelt zerrieben. Dieser Ausflug in die »Welt der Jugend« war nur ein »Streiflicht«,
um Ihnen zu zeigen, wie wir den Einstieg in unser Projekt gefunden haben.
Die einzelnen Themen werden im Laufe des Buches alle wieder aufgegriffen
und vertieft.
*) = Deutsche Umweltschutz-Organisation, die sich nicht nur für
Wälder einsetzt
Zitate 1=
[Text am Montezuma Well in Arizona, aus KAISER-2
/ Seite 5] ... Nimm dir Zeit, den Himmel zu betrachten. Suche Gestalten
in den Wolken. Höre das Wehen des Windes und berühre das kühle
Wasser. Gehe mit leisen und sanften Schritten. Wir sind die Eindringlinge,
die von einem unendlichen Universum nur für eine kurze Zeit geduldet
werden. ...
2=
[BERG
/ Lit. 1, Seite 24] ... Im neuzeitlichen Denken ... (wird) In
keiner Weise ... mehr auf Natur hinghorcht, sondern Natur muß gehorchen,
sich der technischen Verfügbarkeit öffnen. ... Je heller das
Licht des menschlichen Geistes leuchtet, desto mehr verdunkelt sich Natur.
...
3=
[Zitat Frithjof SCHUON,
aus HIRSCH-1
/ Seite 220] ... Die Natur ist dem Indianer die unmittelbare Kundgebung
des Göttlichen, und daher ist sie ihm ... Heiligtum: der Mensch ist
ihre Mitte ... er ist nicht von ihr trennbar. ...
4=
[Zitat Bogumil Goltz - westpreuss. Erzähler, aus FREESE
/ Seite 76 - 77] ... Welche geistig-seelischen Beziehungen wir zu der uns
umgebenden natürlichen Welt unterhalten, ist von allergrößter
Bedeutung nicht nur für die lebensentscheidende Art des Umgangs mit
ihr, sondern auch für die Qualität unserer Moral. Wir hätten
allen Grund, über die Weisheit der kindlichen Beziehung zur Natur
nachdenklich zu werden, anstatt alles daran zu setzen, Kinder so schnell
wie möglich auf unser rationalistisch-positivistisches, »entgöttertes«
Weltbild und ... auf unseren gedanken- und gefühllosen Umgang mit
der Natur zu verpflichten. ...
5=
[Zitat Jürgen Mittelstrass - dt. Philosoph, aus BERG
/ Seite 29 - 30] ... »Mit der Aneignung der Natur ... geht auch der
Verlust ... unmittelbaren Erfahrungen in der Natur einher. ... Wie Natur
ist und wie sie sein soll, bleibt technischen Kulturen im Grunde ein Rätsel.«
... »Die Natur, die wir erforschen, ist nicht mehr die Natur, in
der wir leben oder die wir sind. ... Verräterisch ist dabei schon
die Ersetzung des Ausdrucks 'Natur' durch den Ausdruck 'Umwelt' ... (Doch)
die Summe der Umwelten macht keine Natur mehr - und schon gar nicht das,
was an uns selbst ... Natur ist.« ...
6=
[ABOSCH
/ Lit. 1, Seite 140] ... Die massivste Wirkung erzielt das Fernsehen, das
bei der Zerstörung der Familienbeziehungen ansetzt, Gespräche
verdrängt und individuelle Ausdrucksweise durch die Schablone der
TV-Sprache ersetzt. In der modernen Industriegesellschaft zirkulieren unübersehbare
Mengen von Informationen, die Gesellschaft rühmt sich ihrer Informiertheit
und ihres Wissens. Der Wissensstoff verdoppelt sich alle zehn Jahre, der
Medienkonsument wird mit Nachrichten aus aller Welt überschüttet,
keine Katastrophe entgeht ihm, jedes Geschehen wird in Bilder und Sensationen
umgesetzt. ... doch zugleich muß man fragen, ob ihre Kenntnisse wirklich
zugenommen haben. Tatsächlich bleibt vieles an der Oberfläche,
die Menschen begnügen sich mit dem Schein des Wissens, so daß
nichts so deutlich ist wie ihre Verwirrung. ... Als wichtigstes Medium
ist das Fernsehen der machtvollste Mythenproduzent, der die Welt ... als
eine Projektion von Märchen, von Träumen, von aufregenden Sensationen
darstellt. ... Dem eigenen Anspruch, Wirklichkeit darzustellen, widerspricht
das Fernsehen beständig. ... der Ausdruck >seriöses Fernsehen<
(ist) ein Widerspruch in sich...
7=
[LORENZ
/ Lit. 1, Seite 231] ... In Kleidung, Manieren und sonstigen Gepflogenheiten
sind sich die Völker aller Erdteile immer ähnlicher geworden.
Gleichzeitig aber ist der kulturelle Abstand zwischen den Generationen
in sämtlichen Kulturen der Erde gewaltig angewachsen. ... heute ...
hat man den Eindruck, daß der ... kritische Punkt erreicht ist, an
dem die jüngere Generation der älteren wie einer feindlichen
ethnischen Gruppe gegenübersteht.
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