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Ebene 3 - Thema ausführlich: »Fakten zum Artensterben«
3. Behauptung:
Das heute stattfindende Artensterben - das 40 bis 400 mal schneller ist als der normale Artenwechsel - ist schon zu weit fortgeschritten, um dramatische Folgen noch zu verhindern!

Erläuterungen zu unserer Annahme:
Die Spatzen pfeifen es von allen Dächern, oder vielmehr - auf allen Fernsehsendern -, dass immer mehr Tier- und Pflanzenarten aussterben. Trotzdem scheint das Thema in der Öffentlichkeit kaum in seiner ganzen Tragweite bekannt zu sein. Wenn man sich als kritischer Naturfreund einmal genauer umschaut, dann offenbart sich die traurige Angelegenheit sehr schnell: Es gibt keinen Zweifel, wir befinden uns heute in einem Zeitalter des Massenaussterbens, dessen Ausmaß selbst für den Unkundigen erschreckend sein muss. Ungefähr die Hälfte aller in Deutschland heimischen Arten sind unmittelbar gefährdet und ununterbrochen kommen neue Arten hinzu [43] [48]. 
    Deutschland ist nur ein winziges Stückchen Erde, doch die Lage ist leider weltweit bedrohlich. Nach Einschätzung des bedeutenden Biologen Edward WILSON waren bereits 1992 über zehn Prozent aller heute lebenden Arten für immer und alle Zeiten verschwunden oder standen kurz vor dem Aussterben [44]. (Ebenfalls von WILSON stammt die Einschätzung »40 - 400 mal schneller als normal«. Der Wert ist so ungenau, da immer noch nicht bekannt ist, wieviele Arten es insgesamt auf der Erde gibt.) 
    Ein ständiger Artenwechsel ist in der Evolution völlig natürlich, aller dings nicht in dieser ungeheuren Geschwindigkeit, die immer noch zunimmt.

Antwort der Wissenschaftler:
»Es hat bereits heftige Einschnitte in die Artenvielfalt und -Zusammensetzung gegeben und das Thema ist sicher eines der dringlichsten; denn jede verlorengegangene Art ist nicht nur ein Verlust für die Natur, sondern auch für uns: als Reserve für neue Medikamente oder Lebensmittel beispielsweise. Die Natur hat jedoch umfangreiche Möglichkeiten, um auch mit den verbliebenen Arten ein neues Gleichgewicht zu finden. Wenn wir allerdings in den kommenden Jahrzehnten den gesamten Verbrauch von Material und Energie mit seinen einschneidenden Veränderungen an der Erde nicht um einen Faktor Vier bis Zehn verringern und zudem mindestens zehn Prozent der Erdoberfläche vollkommen unter Schutz stellen, dann könnte der Fortgang der Evolution gefährdet sein. Letzten Endes kann das auch das Aussterben des Menschen bedeuten.«

Weitere Ermittlungen aus der Literatur:
Unsere Lektorin Nicole Picard wies darauf hin, dass die drei Wissenschaftler das Poblem sehr stark auf den Menschen bezogen haben. »Müsste man nicht globaler denken?« fragte sie und deutete auf den Wert einer vielfältigen Natur an sich! So betrachtet erscheint zum Beispiel der Gedanke - zehn Prozent geschützter Erdoberfläche seien ausreichend - seltsam gönnerhaft. Dürfen und können wir Menschen der Erde etwas zugestehen? 

Wenn man sich einmal ein Bild von der weltweiten Vernetzung der Lebewesen untereinander macht, dann wird deutlich, dass auch dieses Problem nicht örtlich zu bekämpfen ist. (Zitat [45] liefert dazu ein anschauliches Beispiel.) Doch nicht nur die Vernichtung von Lebensräumen hat Auswirkungen auf das ökologische Gleichgewicht in einem Lebensraum. So bringen zum Beispiel absichtliche Einbürgerungen von fremden Arten oftmals mehr Schaden als Nutzen, weil die Zusammenhänge meist nur unzureichend bekannt sind [46]. Auch dafür gibt es zahlreiche Beispiele. 
    Dass das Artensterben direkte Auswirkungen auf die Menschheit haben kann und nicht nur seltene Käfer oder Farne betrifft, wird klar, wenn man zum Beispiel an unsere Nahrungsmittelgrundlagen denkt:
    30.000 essbare Pflanzenarten sind bekannt. Sie zu schützen und zu erforschen sollte ein vorrangiges Ziel der Wissenschaft sein. Es verspricht sicher einen höheren Nutzen als der Versuch, aus den 20 häufigsten Kulturpflanzen gentechnisch immer mehr herauszuholen [47]. Jedes ausgestorbene Lebewesen ist ein für allemal von der Erde verschwunden und wer weiß, wann die nächste Pflanzenseuche den Mais oder die Kartoffel befällt?
    Um die unglaubliche Geschwindigkeit der Vernichtung noch einmal deutlich zu machen, das folgende Zitat:

... Mit seinem Living Planet Index hat der WWF jetzt erstmals eine konkrete Zahl (Anm.: der Naturzerstörung) ermittelt: Demnach verlor die Erde allein zwischen 1970 und 1995 ein knappes Drittel ihres Naturreichtumes. [WWF-Journal-2 / Seite 16]

Ungeachtet dessen hat der Verlust von Lebensformen noch eine andere Bedeutung, die mir als langjährigem Wildniswanderer sehr bewusst ist und die ich in meinem Buch »Sjaunja« beschrieben habe [BALDUS-1 / K]. Lesen Sie dazu das folgende Zitat von Edward WILSON [WILSON / Lit. 1, Seite 428]:

... was ich Biophilie genannt habe: Die unbewußte Neigung des Menschen, die Nähe der übrigen Lebensformen zu suchen. Zur Biophilie kann man auch die Sehnsucht nach der Wildnis zählen, nach all den Gebieten ... die noch nicht von menschlichen Aktivitäten beeinträchtigt sind. In der Wildnis sucht der Mensch neue Lebenskraft und das Urerlebnis des Wunderbaren, und aus der Wildnis kehrt er in jene Teile der Erde zurück, die kultiviert und nach seinen Bedürfnissen gestaltet sind. Die Wildnis erfüllt uns mit Frieden, weil sie uns das Bild völliger Selbstgenügsamkeit vermittelt; sie übersteigt die menschliche Phantasie. ... Wir sind uns selbst noch immer ein Rätsel und entfernen uns immer weiter vom Paradies, wenn wir vergessen, welche Bedeutung die Natur für uns hat. Viele Anzeichen sprechen dafür, daß der Verlust biologischer Vielfalt nicht nur unser physisches, sondern auch unser geistiges Wohlbefinden gefährdet. ...
 
 

Zitate

43 = [LEAKEY / Lit. 1, Seite 149] ... Es ist subjektiv zwar schwer zu erkennen, aber wir befinden uns heute mitten im sechsten Massenaussterben. Der Verlust von 50 Prozent aller Arten rechtfertigt diese Einschätzung. ... diesmal ist es ... das unvermeidbare Wachstum der menschlichen Bevölkerung, die den Lebensraum für die übrigen Lebewesen der Erde einschnürt und vernichtet. 
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44 = [WILSON / Lit. 1, Seite 414] ... Ein trauriges Signum unserer Zeit ist das Schwinden natürlicher Lebensräume, mit der Folge, daß ein großer Teil der Pflanzen- und Tierarten - zweifellos über zehn Prozent - bereits ausgestorben oder zum Aussterben verurteilt ist. (Anm.: Zahl von 1992) ...
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45 = [WILSON / Lit. 1, Seite 312] ... - Zwischen 1940 und 1980 nahmen die Populationsdichten wandernder Singvögel in den drei US-Bundesstaaten New York, New Jersey und Pennsylvania um fünfzig Prozent ab, und viele Arten starben lokal aus. Eine Ursache hierfür war offenbar der beschleunigte Holzeinschlag in Wäldern auf den Westindischen Inseln, in Mexiko sowie in Mittel- und Südamerika, den Hauptüberwinterungsgebieten der Zugvögel. ...
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46 = [GOLDSMITH / Lit. 1, Seite 220 - 221] »Wenn Schnecken, Maikäfer, Raupen und Heuschrecken unsere Ebenen verwüsten, dann deshalb, weil wir die Vögel, die von ihnen leben, in unseren Gehölzen ausrotten; oder weil wir die Bäume aus fremden Ländern zu uns bringen... Mit ihnen haben wir die Eier von den Insekten transportiert, die sich von diesen Bäumen ernähren, ohne gleichermaßen die Vögel desselben Klimas zu importieren, die sie vernichten. Jedes Land hat seine eigenen Vögel, um seine Pflanzen zu erhalten.« 
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47 = [WILSON / Lit. 1, Seite 351] ... Wahrscheinlich besitzen 30.000 Pflanzenarten eßbare Teile, und insgesamt 7.000 Arten sind die gesamte Geschichte hindurch als Nahrungsmittel angebaut oder gesammelt worden. Dagegen stammen neunzig Prozent der Weltproduktion an pflanzlichen Nahrungsmitteln von nur zwanzig Arten und über fünfzig Prozent sogar von nur drei Arten - Weizen, Mais und Reis. ... diese paar Arten (werden) in Monokulturen angebaut, die für Krankheiten und den Befall von Insekten und Nematoden* anfällig sind. ...
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48= [Zitat James BraveWolf - Autor der Chihinne-Indianer, aus BRAVEWOLF / Nachwort] »Manchmai geschieht es lautlos, wenn etwas ausstirbt. Unhörbar für das menschliche Ohr. Viele empfinden nicht einmal den Verlust. Keine Trauer kein Bedauern. Sie bleiben gefühllos. Doch Bäume und Tiere wissen, was vor sich geht. Die Berge, das Wasser, die Pflanzen, sie spüren den Verlust. Sie spüren die Erde zittern, geschüttelt vom Schluchzen über den Verlust, über das Verlorengegangene, das Unwiederbringliche. ... Die moderne Gesellschaft mag uns als lebenden Mythos oder Ausgeburt kindlicher Phantasie betrachten. Sie mag uns für Außenseiter halten, die an längst Ausgelöschtes glauben. Aber wer so denkt, täuscht sich. Es kommt die Zeit, da die Menschheit sich entweder auf ihr Indianersein besinnen muß oder ausgelöscht wird. Es kommt die Zeit, da die Erde, geschunden und mißachtet, in der Weite des Sternenraums lautlos dahinstirbt und verschwindet. ...  Die Berge, das Wasser, die Tiere, die Blumen, sie alle wissen und werden nie vergessen wie es einst war und wieder sein sollte. Wir Menschen, wir müssen uns unserer Wurzeln erinnern. Bevor es zu spät ist.«
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*) =    Fadenwürmer, wie z.B. Spulwürmer oder Trichinen

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