2. Behauptung:
Die Erde wird bei dem momentanen Bevölkerungswachstum schon
bald nicht mehr in der Lage sein, die Stabilität des gesamten Systems
zu gewährleisten!
Erläuterungen zu unserer Annahme:
Damit ist gemeint, dass die als »Bevölkerungsexplosion«
bezeichnete exponentielle* Zunahme der Weltbevölkerung zu einer großflächigen
Überbevölkerung der Erde führen wird, so dass durch den
zunehmenden Flächenverbrauch, den Raubbau an nachwachsenden Rohstoffen
und sämtliche Veränderungen an den natürlichen Systemen
die gesamte Erde an den Rand ihres Leistungsvermögens gebracht wird.
Die Stabilität - oder Beständigkeit -
eines Systems ist durch den Grad seiner Störungsanfälligkeit
gekennzeichnet.
Jedes biologische System - denken wir nur an unseren Körper -
ist mehr oder weniger in der Lage, Störungen - oder Krankheiten -
bis zu einem gewissen Ausmaß auszugleichen. Wenn diese Stabilitäts-Grenze
jedoch überschritten wird, versagt irgendein wesentlicher Teil des
Systems als erstes und löst - wenn er nicht ersetzt werden kann -
eine unabwendbare Kettenreaktion aus: In der Folge versagen alle Teile
nacheinander, da sie auf eine wechselwirkende Funktion angewiesen sind
- das System bricht zusammen, der Körper stirbt.
Auch die Erde kann als biologisches »Super-System«
mit einer ihr eigenen Stabilität aufgefasst werden [33].
Wir befürchten, dass der Spielraum der irdischen Stabilität bald
an seine Grenzen stößt.
Antwort der Wissenschaftler:
»Entscheidend für die Belastung des Systems Erde ist
die Art und Weise, wie der Mensch mit der Erde umgeht und nicht die reine
Anzahl der Menschen.
Würde aus den Rohstoffen und Energieträgern
der größtmögliche Nutzen gezogen - also die derzeitige
Verschwendung eingestellt - könnten auch zehn Milliarden Menschen
mit einem annehmbaren Lebensstandard auf der Erde leben, ohne die natürlichen
Grundlagen zu gefährden.
Wenn jedoch alle Menschen auf der Erde unseren
westlichen Lebensstil pflegen könnten, wäre die Grenze der Belastbarkeit
bereits heute mehrfach überschritten.
Es ist also entscheidend, dass die bevölkerungsreichen
Entwicklungsländer nicht die gleichen Fehler machen, die in den Industriestaaten
gemacht werden.
In den letzten zwanzig Jahren wurden erste Anfänge
gemacht und die Steigerung des Bevölkerungswachstums hat sich etwas
abgeflacht. Wenn der Trend so bleibt, wird die Zahl der Menschen irgendwann
nicht mehr wachsen. Wann das sein wird, ist jedoch nicht vorhersehbar.
Vor allem aber ist der Naturverbrauch immer noch viel zu hoch und muss
dringend gestoppt werden, sonst kann es tatsächlich zu einem Zusammenbruch
kommen.«
Weitere Ermittlungen aus der Literatur:
Es bedarf keiner wissenschaftlichen Untersuchungen, um zu erkennen,
dass zwischen der Größe der Weltbevölkerung und der Naturzerstörung
ein direkter Zusammenhang besteht [34].
Man braucht nur einmal in den dünner besiedelten hohen Norden Europas
zu fahren, um zu sehen, wieviel mehr Platz für Natur und wieviel weniger
Schadeinwirkungen dort vorhanden sind [35].
Doch selbst hier sind die Auswirkungen der modernen
Lebensweise schon sichtbar! So sind zum Beispiel neunzig Prozent der schwedischen
Wälder reine Holzplantagen und demnach nicht mehr als völlig
unversehrte, gesunde Naturwälder zu betrachten [Quelle:
Schwedischer Umweltatlas »Miljön«]. Nur unversehrte
Natur mit vielen verschiedenen Pflanzen- und Tierarten garantiert jedoch
die biologische Stabilität auf der Erde.
Genau an diesem Punkt greift die Überbevölkerung
direkt die Umwelt an: In den Entwicklungsländern werden immer mehr
verbliebene Naturlandschaften in unglaublichem Tempo gerodet oder verbrannt
[36].
Bei allen hoffnungsvollen Vorhersagen über die Zukunft sollte man
nicht vergessen, was eine Milliarde Chinesen und etliche Milliarden Menschen
in den Entwicklungsländern von der Zukunft erwarten. Ihre Ansprüche
könnten die zaghaften Umweltschutzmaßnahmen der Industrieländer
im Handumdrehen zunichte machen
- die Erde ist eben ein vernetztes System!
*) = Die Kurve
verläuft nicht geradlinig, sondern immer schneller wachsend
Zitate
33 = [GOLDSMITH
/ Lit. 1, Seite 128] ... Insbesondere betont er (James LOVELOCK),
daß Gaia ... (Anm.: ,die Erde) in der Lage ist, trotz Veränderung
ihre Stabilität ... zu bewahren. Das allein kann erklären, wie
das Klima über die letzten paar hundertmillio nen Jahre bemerkenswert
stabil geblieben ist, obwohl die Sonnenwärme in dieser Zeit um etwa
dreißig Prozent angestiegen ist. ...
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Text
34 = [WEIZSÄCKER
/ Lit. 1, Seite 286] ... Zwischen 1970 und 1990 ist die Weltbevölkerung
von 3,6 Milliarden auf 5,3 Milliarden angewachsen, die Zahl der Autos hat
von 250 auf 560 Millionen zugenommen, der Erdgasverbrauch stieg von 837
auf 1890 Milliarden Kubikmeter und die Kraftwerkskapazitäten von 1,1
auf 2,6 Millionen Megawatt. Was auch immer Geologen über noch unentdeckte
Vorräte sagen mögen, der Verbrauch darf nicht mit dieser Geschwindigkeit
weiterwachsen. ... eher
(ist) die Aufnahmefähigkeit der Erde
für Abfälle und Emissionen begrenzt, als es die Rohstoffvorräte
sind. ...
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35 = [WEIZSÄCKER
/ Lit. 1, Seite 291] ... Keines der auf dem Erdgipfel 1992 diskutierten
... Probleme wäre wirklich schwerwiegend, wenn auf der Welt nur 500
Millionen Menschen mit Nahrung, Kleidung und einem Zuhause versorgt werden
müßten. ...
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36 = [WILSON
/ Lit. 1, Seite 345] ... Früher versuchte man die Biodiversität*
unter einer Art »Käseglocke« zu erhalten nach der Devise:
Man erkläre die kostbarsten Naturgebiete zu Parks und Reservaten und
schütze sie durch Aufseher. ... Naturschutzgebiete und Aufseher sind
zweifellos nötig. Diese Methode hat in den Vereinigten Staaten und
Europa bis zu einem gewissen Grad funktioniert (Anm.: Deutschland hat
gerade mal 2 % seiner Fläche unter Schutz gestellt, davon sind nur
max. 10 % vollkommen intakt. Von der gesamten Landfläche der Erde
standen 1992 ganze 4,3% unter Schutz), in den Entwicklungsländern
aber ist ihr gewiß nicht der gewünschte Erfolg beschieden. Das
liegt daran, daß die ärmsten Völker mit dem höchsten
Bevölkerungswachstum in unmittelbarer Nähe der größten
Schatzkammern der biologischen Artenvielfalt leben. Ein einzelner peruanischer
Bauer, der, um seine Familie zu ernähren, Regenwald rodet ... wird
mehr Baumarten fällen, als in ganz Europa heimisch sind. ...
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Text
*) =
die biologische Artrenvielfalt
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