4. Behauptung:
Wir haben verheerende Kriege aufgrund der Rohstoff- und Energieverknappung
zu befürchten!
Erläuterungen zu unserer Annahme:
Ziemlich am Anfang unseres Projektes sprach ich mit den Rangern über
die eigentümlich selbstmörderische Verhaltensweise des Menschen,
sich in unzähligen Kriegen immer wieder gegenseitig umzubringen. Diese
Eigenschaft ist zwar selten im Tierreich, aber durchaus nicht nur bei uns
zu finden. Wir Menschen stehen in diesem Punkt allerdings unschlagbar »über«
allen anderen Lebewesen.
In meiner Begründung zur Kriegsdienstverweigerung
hatte ich vor vielen Jahren einmal die folgende Vermutung aufgestellt:
Nach der Erfindung der ersten Waffen wurden
Feinde nicht mehr nur mit der bloßen Hand bekämpft. Der Mensch
konnte sie nun weitaus schwerer verletzen oder töten. So gab der Waffengebrauch
dem natürlichen Streitverhalten eine gefährliche Wendung und
den Waffenführern einen Überlebensvorteil. Die Kämpfernaturen
überlebten häufiger als die Friedlichen und gaben diese Veranlagung
an ihre Nachkommen weiter.
So wurde die Menschheit immer kriegerischer
-
wie ich annahm.
Die Ranger konnten diesen Gedankengängen gut folgen. Doch es ergaben
sich auch Einwände, die sich nicht so einfach erklären ließen.
Wie groß ist unsere Abhängigkeit von den Genen wirklich? Wirkte
das »friedvollere« Erbgut der Frauen nicht gegen das »kriegerische«
männliche? Zudem ist nicht jedes Volk kriegerisch [Kap. 5.4] und viele
Veränderungen in der Geschichte gingen vollkommen gewaltlos vor sich.
Es scheint entscheidend zu sein, welche Werte
die Menschen haben und wie groß der Wettkampf mit den Nachbarvölkern
ist [39] [40].
Gilt der Besitz von Dingen den Menschen als wertvoll, dann siegt eher der
Krieger in uns. So entstand unsere obenstehende Behauptung.
Antwort der Wissenschaftler:
»Wenn die Industrieländer weiterhin ihren verschwenderischen
Lebensstil rechtfertigen, ist absehbar, dass es zu weiteren Kriegen um
Rohstoffe und Energie kommen wird.
Besonders gefährdet sind in erster Linie die ölfördernden
Staaten. So war das Eingreifen der Amerikaner im Golfkrieg bereits deutlich
auf Interessen am Erdöl zurückzuführen. Ebenso könnte
sich aus dem Wunsch der Chinesen nach einem konsumorientierten Lebensstil
eine zukünftige Gefahr ergeben.
Die vielgepriesene Globalisierung führt vor allem dazu,
dass die Mächtigen ihre Ansprüche auf Rohstoffe und Energie noch
einfacher über den Globus ausweiten können. Dadurch entstehen
neue Ungerechtigkeiten und Gründe für Kriege.
Die technologischen Lösungen zu sparsamerem Energie-
und Rohstoffeinsatz in den Industrieländern würde den Raubbau
an der Natur bremsen und dadurch politische Spannungen vermeiden helfen.«
Weitere Ermittlungen aus der Literatur:
Egal, aus welchen Gründen es zu Kriegen kommt - die Sinnfrage
bleibt: Warum werden im Zeitalter der Demokratien, der Volksbildung und
der Informationsgesellschaft Streitigkeiten immer noch mit solch triebhaften,
niederen und gewaltsamen Mitteln ausgetragen? Ist unser Mitgefühl
und unsere Kenntnis der Grausamkeiten nicht stark genug, um endlich das
gewalttätige Erbe aus unserer Frühzeit zu beherrschen [41]?
Ist die Gefahr der gegenseitigen Vernichtung letztendlich
noch größer als alle Umweltgefahren zusammen [42]?
Zitate
39 = [LAOTSE
/ Lit. 1, Seite 89] ... »Wenn der Sinn (Anm.: das Gute)
herrscht auf Erden, so tut man die Rennpferde ab zum Dungführen. Wenn
der Sinn abhanden ist auf Erden, so werden Kriegsrosse gezüchtet auf
dem Anger.« ...
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40 = [WEIZSÄCKER
/ Lit. 1, Seite 293] ... Politisch gesehen führt das dramatische Bevölkerungswachstum
fast unausweichlich zu Konflikten um Land und Rohstoffe. Entsetzli che
Kriege sind nicht auszuschließen. Der Treibhauseffekt kann die Situation
dramatisch verschärfen. ...
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41 = [ABOSCH
/ Lit. 1, Seite 105] ... Da die gesamte Geschichte eine Summe von Grausamkeiten
ist, die die Menschen abgestumpft als ein Unabwendbares zu registrieren
gewohnt sind, vermag auch das monumentalste Verbrechen ... keine ernsthafte
Erschütterung, keine echte moralische Umkehr zu bewirken. ... Die
Gewöhnung an das Verbrechen führt zu seiner Akzeptanz. Die humane
Reaktion, sich vom Grauen abzuwenden, manifestiert sich zur selben Zeit
wie das kalte Kalkül derjenigen, die das Verbrechen aus politischen
Gründen zu verdecken suchen. ... Berechtigt ist die Frage, wieviele
Auschwitz die Menschheit noch ertragen kann, bevor die Kultur vollends
zusammenbricht oder zur bloßen Farce der nackten Barbarei verkommt
...
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42 = [Zitat
Sigmund Freud - österr. Neuropathologe, aus ABOSCH
/ Lit. 1, Seite 107] .»Die Schicksalsfrage der Menschheit scheint
mir zu sein, ob und in welchem Maße es ihrer Kulturentwicklung gelingen
wird, der Störung des Zusammenlebens durch den menschlichen Aggressions-
und Selbstvernichtungswillen Herr zu werden.«
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