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Ebene 3 - Thema ausführlich: »Indianische Weltanschauungen, Teil 1«
[Texte zusammengestellt aus: BAUMANN, BMAG, HETMANN, HIRSCH-1, KAISER-1, TEDLOCK] Der Text wurde von Margret Zalfen auf sachliche Richtigkeit überprüft (Kennerin indianischer Kulturen, Museumspädagogin und Buchautorin.)


Die Frau soll »Mutter Erde« als gemeinsames Element 
der indianischen Weltsichten darstellen. Links Häuptling 
SEATTLE und rechts BLACK ELK als Vermittler dieses Denkens

Beim Näherkommen erkennen wir kegelförmige Tipis - die Zelte der Plainsindianer - die jeder aus Büchern und Filmen kennt. Doch nicht alle sind mit Leinen oder Häuten bespannt, sondern wir finden auch solche, die mit Birkenrinde bedeckt sind. Dahinter stehen tunnelartige und kuppelförmige Hütten, auch mit allerhand Rinden und Fellen gedeckt. Noch weiter im Dorfinnern wundern wir uns über runde Lehmhütten, offene Gebüschkaten und gar palmstrohgedeckte Dächer, die nur auf ein paar Pfählen stehen. Die einzigen festen Behausungen sind einige Blockhütten, bunt verzierte Bretterhäuser und an eine Felswand geschmiegt, ein großes gelblich-braunes Lehmhaus aus lauter übereinanderliegenden, würfelförmigen Räumen.
    Offensichtlich sind wir zu primitiven Völkern gelangt, doch halt! - wird dieses Wort nicht leicht missverstanden? Um keine falschen Vorurteile zu erzeugen, erinnern wir uns an folgendes Zitat: [SCHWEER / Lit. 2, Seite 80] 

... Weder im allgemeinen noch im besonderen kann man ... von einem grundsätzlichen Unterschied zwischen der Geistesverfassung der Naturvölker und der unseren ausgehen. Es gibt keine spezielle »primitive Mentalität«, sondern nur andersartige Wahrnehmungen der Wirklichkeit. ...

Vor lauter Staunen über diese seltsamen Wohnungen haben wir kaum die Menschen bemerkt, die sich um unseren Bus versammelt haben. Eigentlich sollten wir uns nicht wundern, Indianer der verschiedensten Stämme vorzufinden, dennoch erschrecken wir beim ersten Blick in die Runde. Doch wir entdecken weder feindselige Blicke, noch Waffen oder Drohgebärden bei diesen Menschen, die farbenfroh in Leder, Stoff und Fell gekleidet sind. 
    Von einem würdevollen alten Mann, der ein reich verziertes Gewand am Körper und eine große Adlerfeder im Haar trägt, werden wir herangewunken. Er führt uns zu einem großen Lagerfeuer und bittet uns, zusammen mit anderen Indianern um das Feuer herum Platz zu nehmen. 
    Kaum dass wir sitzen, werden wir als willkommene Gäste mit einer aufwendigen Zeremonie, Tänzen und Gesängen begrüßt. Gleichzeitig verehren diese Menschen damit das Große Geheimnis und Mutter Erde, wie sie es immer tun, wenn sie tanzen und singen [96/G]. Als die Nacht langsam ihr schwarzes Tuch über das Land senkt und die Zelte und Hütten nur noch schemenhaft im flackernden Schein des Feuers zu erkennen sind, beginnt der alte Mann mit der altamerikanischen ...

... Geschichte
Beginnend vor wahrscheinlich 30 - 40.000 Jahren kamen die Vorfahren der amerikanischen Ureinwohner in mehreren großen Einwanderungswellen aus Sibirien über Alaska in die Neue Welt. Es waren Jäger und Sammler verschiedener alt-mongolischer Rassen, die vermutlich auf der Suche nach ergiebigeren Jagdgründen waren. Diese vorherrschende Theorie wird jedoch immer wieder durch neue, viel ältere Funde angezweifelt. Sicher ist nur die urmongolische Abstammung.
    Die Menschen gehörten zu kleinen, meist recht isoliert lebenden Stämmen, so dass eine sehr große Zahl völlig eigenständiger Völker entstand, die so verschieden waren wie Afrikaner und Skandinavier. 
    Obwohl man annehmen könnte, bei der Vielzahl nicht verwandter Völker müßte es genausoviele unterschiedliche Glaubensvorstellungen geben, ist das nur bedingt richtig. Trotz einer großen Anzahl von grundverschiedenen Mythen und Geschichten findet man im Kern der meisten nordamerikanischen Weltanschauungen die gleichen Ideen. Hierbei darf man allerdings nicht vergessen, dass das Christentum seit den ersten europäischen Entdeckern und Eroberern deutliche Spuren hinerlassen hat, denn viele indianische Weltanschauungen waren recht offen für neue Vorstellungen und die Missionare ließen nichts unversucht, ihren Glauben in die Köpfe der Menschen zu pflanzen! Untersucht man z.B. die vielzitierten Prophezeiungen der Hopi (Vorhersage einer nahen Endzeit-Katastrophe, die eintritt, wenn der Mensch nicht wieder auf den »geraden Weg« kommt) oder die Geistertanzbewegung der Plainsstämme im ausgehenden 19. Jahrhundert (Wiederkehr der Büffel und Verschwinden der Weißen als göttliche Offenbarung), wird dieser Einfluss sichtbar. Sicherlich hat er zu gewissen Angleichungen in den verschiedenartigen religiösen Vorstellungen geführt.
    Dennoch besteht keinerlei Berechtigung, die indianischen Glaubensvorstellungen herabzuwürdigen. Im Gegenteil: Wir finden in Nordamerika aussergewöhnlich tiefgehende Ansichten, die in ähnlicher Form bei vielen Naturvölkern der Erde zu finden sind [97/G] [Kap. 3.2.1]!
    Viele der alten Vorstellungen sind bei traditionellen Indianern immer noch lebendig und erleben durch ein langsames Wiedererstarken indianischer Kulturen gar einen gewissen Aufschwung. In dieser Hinsicht sind allerdings auch einige weiße Nachahmer aus der Esoterik-Szene sehr eifrig [Kap. 4.4.2]. Falls die »echten« Indianer ihre kulturellen Werte nicht bis zur Unkenntlichkeit verbogen wiederfinden möchten, müssen sie sich von diesen »Möchtegern-Schamanen« deutlich abgrenzen. 
    Ich will versuchen, den Kern der vielen indianischer Weltanschauungen im Folgenden herauszuarbeiten. Bedenken Sie, dass sich dahinter eine Vielfalt unterschiedlichster Mythologien und Vorstellungen verbirgt!

Übrigens benötigten die Indianer keinerlei Aufzeichnungen, um ihre Geschichte festzuhalten, keine Heiligen Schriften und nichts dergleichen. Dennoch wird immer wieder belegt, dass sie aus dem Gedächtnis Geschehnisse sehr genau wiedergeben konnten [98/G]. Das beweisen z.B. die reichhaltigen Berichte des Lakota-Schamanen HÄCHAKA SSAPA (Black Elk), die Anfang des 20. Jahrhunderts von einem Völkerkundler aufgezeichnet wurden. Die wohl bekannteste Rede eines Indianers - die die große Achtung vor dem Leben wiedergibt - wurde von Häuptling SEATTLE, einem Duwamish-Indianer aus Washington gehalten. Leider wurde sie von verschiedenen Übersetzern verfälscht und überzogen. Es gibt jedoch zahlreiche Zeugnisse indianischer Weisheiten, die richtig niedergeschrieben wurden.
    Immerhin sind auf der Erde auch heute noch über 100 Millionen Menschen Anhänger von traditionellen Naturreligionen.

... Lesen Sie weiter unter 4.4.1.b
 
 

Zitate

96 = [GOLDSMITH / Lit. 1, Seite 86] ... dem (erdverbundenen) Volk (werden) die Wechselbeziehungen, auf denen das ursprüngliche Modell basiert, ständig in Liedern und anderen rituellen Handlungen verdeutlicht, so daß jeder wirklich mit der Weltanschauung, die er wiedergibt, erfüllt ist. .. Aus ... diesen Gründen erfüllt ein ... ursprüngliches Modell die grundlegenden ... Erfordernisse für eine Gesellschaftsform auf eine Weise, wie es ein wissenschaftlich-mathematisches Modell nicht kann. ...

97 = [SCHWEER / Lit. 2, Seite 10] ... Und was die angebliche Irrationalität anbelangt, so ist im Glauben und Denken der Naturvölker vieles in sich schlüssiger und plausibler als in den monotheistischen Religionssystemen, die ihrerseits einiges an abergläubischen Vorstellungen aufweisen. Aus den sozialen, kulturellen und religiösen Verhältnissen innerhalb der heutigen Naturvölker lassen sich weder die Ursprünge der Menschheit noch die Anfänge der Religion rekonstruieren. ...

98 = [SCHWEER / Lit. 1, Seite 11] ... Die Schriftlosigkeit bildet den einzigen gemeinsamen Nenner der Naturreligionen, die sich ansonsten in so vielfältiger Weise voneinander unterscheiden wie die Religionen, die heilige Texte besitzen. ...
 

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