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Ebene 3 - Thema ausführlich: »Die alltägliche Fassbarkeit, Teil 1«
Bevor wir uns den verschiedenen Weltanschauungen und unserem eigenen Weg widmen, wollen wir in einer kurzen Bestandsaufnahme schildern, wodurch die alltägliche Fassbarkeit* des Menschen heute vor allem gekennzeichnet ist. Beachten Sie bitte den Unterschied, den wir den Ausdrücken »Fassbarkeit« und »Wirklichkeit«** gegeben haben.

Denken Sie doch einmal über Ihre persönliche Situation nach. Mit dieser Überlegung haben auch wir angefangen. Wie stellt sich unsere Welt heute dar? Welche positiven und negativen Aspekte kann man ihr zuschreiben?
    Wir möchten ein ausgewogenes Fundament für Ihre und unsere Überlegungen schaffen und nicht in eine einseitige Verurteilung des heutigen Menschen abgleiten.

Für die Menschen der westlichen Welt kamen wir nach eingehenden Überlegungen zu folgenden Aussagen:

Niemals zuvor in der Geschichte wurden so viele Menschen so alt wie heute. Niemals zuvor gab es so großen materiellen Wohlstand. Niemals durften wir so frei unsere Meinung äußern.
    Dank der Medizin haben wir viele schreckliche Krankheiten besiegt und praktisch alle Erkrankungen zumindest erträglicher gemacht. 
    Dank der Technik können wir viele ungewöhnliche Dinge tun, sowohl bezogen auf unseren Körper, als auch auf unseren Geist. 
    Der motorisierte Verkehr ermöglicht uns eine nie gekannte Beweglichkeit: Wir können an einem Tag bequem mehrere hundert Kilometer zurücklegen und so nahezu jeden Punkt der Erde erreichen. 
    In unglaublicher Fülle und mit bunten Bildern bringen uns die Medien die Welt ins Haus. Mit Hilfe des Internets eröffnen sich uns phantastische Möglichkeiten, an alle nur denkbaren Informationen zu gelangen. 
    Technik ermöglicht uns zudem die abwechslungsreiche Befriedigung unseres Spieltriebes: In leidenschaftlicher Begeisterung sitzen wir am PC, basteln an der Modelleisenbahn, stählen unseren Körper im Fitneßstudio oder fahren das nahezu unvermeidliche Auto. 
    Dank der modernen weltwirtschaftlichen Strukturen haben wir immer genug zu essen, ein behagliches Zuhause und Kleidung für alle Erfordernisse. Es mangelt uns an nichts, wir gehören in materieller Hinsicht ohne Zweifel zu den reichsten Menschen dieses Planeten.
    Niemals zuvor waren wir so informiert über die Welt um uns herum. 
    Dank der demokratischen Politik und internationaler Bündnisse stehen allen Menschen die gleichen Rechte zu und der Frieden scheint trotz einiger Krisenherde so sicher wie noch nie. 
    Es macht den Eindruck, als sei menschliches Leben wohl kaum je so menschenwürdig gewesen wie heute...[9] - zumindest bei uns.

Doch sobald wir den Blick auf die sogenannte Dritte Welt richteten - wo die weitaus größte Anzahl der Menschen auf dieser Erde lebt - stimmten die meisten dieser Aussagen nicht mehr. Oftmals gilt hier wohl eher das Gegenteil. Unsere Überlegungen bestätigten eindeutig, dass Wohlstand und Reichtum auf der Welt nicht gleichmäßig verteilt sind [10]:

Das Leben kann in den Ländern, die mit anhaltenden Hungersnöten zu kämpfen haben, ein unerträgliches Leid sein. Milliarden Menschen besitzen so wenige Güter, dass es kaum zum Überleben reicht. Vor allem »dank« der Medizin und der Hygiene drängen sich rund sechs Milliarden Menschen auf der Erde. Neue Krankheiten wie Aids oder Hepatitis C breiten sich in nie gekannter Geschwindigkeit über den Erdball aus [11].
    Für ungezählte Analphabeten ist das Fernsehen der einzige Weg in die übrige Welt. Autos und Flugzeuge sind für sie höchstens Träume von einem besseren Leben. 

Diese Darstellung der »dunklen Seite der Welt« machte uns einmal mehr bewusst, dass wir großes Glück gehabt haben, hier und heute geboren zu sein. Doch ist dieses Glück ungetrübt? Wohl kaum, denn die Ranger kamen unmittelbar durch die Sicht auf die Dritte Welt zu den Missständen, die unserer eigenen Gesellschaft eigentümlich sind und die teilweise recht wider sinnig anmuten [12].

Ist es menschenwürdig, einen Krebspatienten unter starken Betäubungsmitteln und mit Hilfe technischer Apparaturen möglichst lange am Leben zu halten? Ist es unser Reichtum wert, zwischen rauchenden Schloten und grauen Betonklötzen aufzuwachsen? Oder gilt das nur für einen unbedeutenden Teil der Bevölkerung? 
    Leben nicht die meisten Deutschen in einer eher angenehmen, gesunden Umgebung, in der es an nichts mangelt? Das Auto steht fahrbereit in der Garage, der Lebensmittelladen ist direkt um die Ecke, und selbst der Freizeitpark liegt in erreichbarer Entfernung...
    Wir lernen von Kindesbeinen an, möglichst große Leistungen zu erbringen, um uns in der immer komplizierter (und vielleicht auch rücksichtsloser) werdenden Gesellschaftsordnung behaupten zu können. Dazu müssen wir uns mit Mathematik und Englisch, Wirtschaftslehre und Geschichte und vielem mehr auseinandersetzen. Wir kennen die Preise der neuesten CDs, die aktuellen Börsenkurse oder die Favoriten im Fußball. Wir können uns Dinge leisten, von denen unsere Großeltern nicht einmal träumten. Doch sind wir uns immer bewusst, woher unsere Wurst stammt und wie das Getreide aussieht, aus dem unser Brot besteht?

Ohne Zweifel geht das allgemeine Wissen von natürlichen Zusammenhängen und um Erfahrungen mit der Natur zugunsten anderer Kenntnisse immer mehr zurück. Es soll Kinder geben, die glauben, die Milch käme aus der Fabrik. Als langjährige Naturschützer glauben wir, dem Verhalten der meisten Menschen entnehmen zu können, dass sich kaum noch jemand der totalen Abhängigkeit unseres Lebens von der Natur bewusst ist [13]. 
    Aber was heißt überhaupt »Natur«? Gemeint sind gesunde Landschaften, die natürlichen Stoff- und Energiekreisläufe, unsere vererbten Anlagen, wie auch die Einbindung aller Lebewesen in den übergeordneten Zusammenhang im Universum. All das bedeutet das Wort »Natur«.

Unser Eindruck ist, dass die großartigen Errungenschaften aus Wissenschaft und Technik uns eine Unabhängigkeit vortäuschen, die uns glauben macht, wir hätten alles fest im Griff. 

*) = Der erlebte Ausschnitt der Welt und die Gesamtheit der inneren Zustände. Schmerz z.B. ist somit fassbar für einen Menschen, aber nicht wirklich.

**) = Die nicht direkt erlebbare Grundlage der Erscheinungen außerhalb eines geistigen Erlebens. Demnach sind alle Dinge und Vorgänge des Universums real, nicht jedoch geistige Zustände.

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Zitate

9 = [POPPER / Lit. 1, Seite 74 - 75] ... Es ist geradezu eine Binsenweisheit, daß wir im Westen in einer besseren und gerechteren Welt leben, als es je vorher eine gegeben hat. ... Trotz der Größe und Kompliziertheit unserer Gesellschaft behaupte ich: In keiner Zeit hat man sich so darum bemüht, die Gesetze humaner und gerechter zu machen, wie in der unseren. ...

10 = [ABOSCH / Lit. 1, Seite 128] ... Wohlstand genießt nur ein relativ kleiner Teil der Menschheit in Nordamerika, Westeuropa und Japan, ein Zehntel der Gesamtheit. Er wurde egoistisch und rücksichtslos erworben. Von den positiven Resultaten verspürte die Mehrzahl nichts, oder sie erlebte allein die Nachfolgelasten der industriellen Entwicklung in anderen Regionen. ...

11 = [Zitat Volker Stollorz, aus WOCHE-5 / Seite 22] ... die Erreger tauschten untereinander Gene gegen einzelne Wirkstoffe aus und bauten dadurch in ihrem Erbgut einen immer festeren Panzer gegen alle Waffen der modernen Medizin. Möglich wird das durch eine Art Erbgut-Austausch: ... Über den internationalen Flugverkehr finden diese so aufgerüsteten Arten rasch weltweite Verbreitung. ... (Ein weiteres Beispiel ist die Pest, die) heute ... normalerweise gut beherrschbar mit Antibiotika (ist) - bis 1997 der erste gegen fünf Mittel resistente Bakterienstamm auftauchte. ...

12 = [LORENZ / Lit. 1, Seite 115] ... Kein vernünftiger Mensch kann bezweifeln, daß unsere westliche Zivilisation ein System ist, das aus dem Gleichgewicht geraten ist. ...

13 = [Zitat Doug Boyd - am. Psychologe, aus BOYD / Seite 79] ... Das innere Wesen des Menschen ist identisch mit dem Wesen des Universums, und so lernt der Mensch von der Natur selbst seine eigene Natur kennen. Der technologische, materialistische Weg der heutigen westlichen Gesellschaft ist die unnatürliche Lebensweise, die der Mensch jemals zuvor in der Geschichte geführt hat. Die Menschen von dieser Gesellschaft haben sich am meisten von den Bäumen, Vögeln, Insekten, ja von allen Tieren und Pflanzen und selbst vom Wetter entfremdet. Sie sind auch deshalb von ihrem eigenen Ich so weit entfernt. ...
 

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