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Ebene 3 - Thema ausführlich: »Das Handlungsmodell«
 



 
 
 

Freiheit Im weiteren Sinne alles Handeln, das nicht auf innere oder äußere Zwänge zurückzuführen ist, sondern auf den persönlichen Wertmaßstäben beruht. Ausdruck wird von uns teilweise genauer bestimmt verwendet (Launen-Freiheit, Vernunft-Freiheit)
Handlungseinschränkungen Der Wille benötigt einen »Weg« zur Handlung, der durch die Kenntnisse und das Wissen, die Fähigkeiten und Möglichkeiten, sowie die zur Verfügung stehenden Mittel eingeschränkt wird.
Verdrängung Bestimmte Kenntnisse können angstvolle Stimmungen verursachen, die überwunden werden, indem die Kenntnisse unbewusst unterbewertet oder vergessen werden.
Werte,  Wertmaßstäbe Durch die Erziehung und die Umwelt erzeugte Grundeinstellungen, die bestimmen, was man schätzt, was man für sinnvoll hält und glaubt. Wertmaßstäbe geben Halt und begründen die persönlichen Ziele. Alle Eindrücke werden bewusst oder unbewusst an den Werten gemessen. Wir unterscheiden »Tugenden«, »Vorlieben«, »Normen«, »Hohe Werte« und Glaube.
Wille Der Wille ist der bewusste Vorsatz zu einer Handlung, die auf den unbewusst wetteifernden Handlungsantrieben aus Zwängen und Freiheit und den Willens-Einschränkungen entsteht.
Willens-Einschränkungen Die Antriebe zum Handeln werden eingeschränkt durch Stimmungen (wie z.B. Ängste), den Gesundheitszustand und die Lust zu der vorgestellten Handlung.
Zwänge, innere und äußere Zwänge verursachen Handlungen, die nicht auf unserer Freiheit gründen. Innere Zwänge sind Grundbedürfnisse, Reflexe, Triebe und Instinkte. Äußere Zwänge sind Sachzwänge, Fremdzwänge und künstliche Bedürfnisse. 

... Die Vertreter der Industrien, die unseren Globus beherrschen, scheinen bei all ihrer Intelligenz fest an ... ihre subjektiven Werte zu glauben. Sie scheinen blind für zwei ... Tatsachen, die jedes Schulkind begreifen kann: erstens, daß ein unbegrenztes Wachstum ... auf die Dauer nicht möglich ist, und zweitens, daß kein Haushalt mehr ausgeben kann, als er einnimmt. (Sie) ... glauben nicht an die Wirklichkeit der Gefahren, die die Menschheit bedrohen, weil für sie andere Dinge ... wichtig sind. ... [LORENZ / Lit. 1, Seite 220]
 

In den Diskussionen über das Verhältnis zwischen Mensch und Umwelt wird vor allem das mangelnde Wissen der Bevölkerung über ökologische Zusammenhänge angeführt. Hinzu kommt die Feststellung, dass der Mensch offensichtlich dazu neigt, Wissen, das ihn überfordert oder das Ängste auslösen kann, zu verdrängen oder zu vergessen[32].
    Nach unserer Auffassung liegen dort jedoch noch nicht die tiefsten Wurzeln menschlichen Handelns. Wie Sie unserem Handlungsmodell vielleicht schon entnommen haben, stehen vor dem Wissen der Wille und davor die »wetteifernden Handlungsantriebe« [33].
    Anhand zweier Beispiele möchten wir dieses Modell nun erläutern:
 

  1. Nehmen wir an, ein »alter« Indianer verspürte Hunger (Innere Zwänge / Grundbedürfnis). Er war jedoch zu diesem Zeitpunkt auf Visionssuche* und musste das Verbot des Shamanen beachten, vor Ablauf von drei Nächten nicht zu jagen (Äußere Zwänge / Fremdzwang). Der Shamane hatte allerdings nur von der Jagd gesprochen und nicht vom Sammeln. So legte der Indianer die Anweisung nach seiner persönlichen Freiheit aus (Werte / Tugenden). Er hatte keine Angst, dass sich daraus Nachteile für ihn ergeben würden (Willenseinschränkungen / Ängste), so dass sein Entschluss etwas Essbares zu suchen schließlich feststand (Wille). Er kannte die Gegend, die vorherrschenden Pflanzen und hatte ein gutes Messer, mit dem er sich einen Grabstock schnitzen konnte (Handlungseinschränkungen). Dies alles veranlasste ihn, die Visionssuche eine zeitlang zu unterbrechen (Entscheidung) und Richtung Fluss zu gehen (Gewohnheiten), um dort zuerst nach Nahrung zu suchen (Handlung).
  2. Nun nehmen wir als zweiten Fall an, ein leidenschaftlicher Autofahrer (Werte / Vorlieben) hat ebenfalls Hunger (Innere Zwänge / Grundbedürfnisse), aber nichts Essbares im Haus (Äußere Zwänge / Sachzwänge). Er überlegt, ob er in der fünf Kilometer entfernten Imbissstube eine Pizza essen oder im Supermarkt an der Ecke etwas kaufen soll? Er weiß, wo die Stube ist, er hat genug Benzin im Tank und ausreichend Geld im Portemonnaie. Er müsste jedoch aus einem aktuellen Fernsehbericht wissen, dass der motorisierte Verkehr der Hauptverursacher des zusätzlichen Treibhauseffektes ist (Handlungseinschränkungen). Dennoch zögert er nicht, sich ins Auto zu setzen und loszufahren (Wille), denn erstens denkt er nicht über den Fernsehbericht nach (Ängste / Verdrängung) (í Entscheidung), und zweitens haben es schon seine Eltern auf die gleiche Weise gemacht, als er noch klein war (Gewohnheiten + Vorlieben).
Diese beiden Beispiele machen deutlich, wie alle diese Faktoren eine Handlung beeinflussen. Im Falle des Indianers sind die Möglichkeiten, Kenntnisse und Mittel weitaus eingeschränkter als bei dem modernen Autofahrer. Dennoch hat auch er die Freiheit, seine persönlichen Werte in die Entscheidung einfließen zu lassen!
    Es ist dieselbe Freiheit, die auch den Autofahrer letzten Endes nicht zwingt, so zu handeln wie er es schließlich tut. Natürlich hat er viel umfangreichere und bequemere Möglichkeiten als der Indianer, um an etwas Essbares zu kommen. Das erleichtert die Entscheidung. Doch es sind an erster Stelle seine persönlichen Werte, die die Art und Weise seiner Handlung entscheidend beeinflussen!
    Wäre der Autofahrer beispielsweise ein überzeugter Buddhist und würde die Erkenntnisse aus dem Fernsehbericht auf das Leiden anderer Wesen beziehen, dann hätte er sich möglicherweise für den Fußweg zum Supermarkt entschieden, um dieses Leiden mit seiner Autofahrt nicht unnötig zu verstärken.

Noch ein weiterer Hinweis dürfte unsere Begründung bestärken: Ein Kriminalbeamter fragt bei seinen Ermittlungen in erster Linie nach dem Motiv und nicht nach dem Wissen des Täters. Und das Motiv - der Beweggrund - kann man als »durch bewusste Überlegung begründeter Wille, der die inneren Antriebe und die äußeren Umstände ins Verhältnis setzt« beschreiben.

Natürlich sind sowohl unser Handlungsmodell, als auch die beiden Beispiele stark vereinfacht, denn die Macht der Gewohnheiten, die Erziehung oder die Erfahrungen lassen sich nicht so einfach durch ein einmaliges Erlebnis (hier der Fernsehbericht) umwerfen. Zudem sind die Antriebe in Wirklichkeit nicht scharf abgegrenzt und stark verflochten.

*) = Bei sehr vielen Stämmen gingen junge Erwachsene für einige Tage allein in die Wildnis, um dort durch Fasten, Meditation und Entsagung ihren Schutzgeist zu finden
 
 

Zitate

32 = [Zitat Karl JASPERS, aus THÜSEN / Seite 25 - 27] »... die Völker (werden) nicht innerlich ergriffen von den ungeheuren Drohungen, die über ihnen schweben. Höchstens haben sie einmal Angst, die, wenn es wieder gut gegangen ist, schnell vergessen wird. Wenige spüren, wohin es mit der Freiheit der Menschen im eigenen Staat und auf der Erde zu gehen droht. ... Die politische Freiheit wurde nur in kleinen Umkreisen hervorgebracht. ... Aber überall ging sie bald verloren. Die Realität der überwältigenden Mehrheit der Völker und Staaten spricht gegen die Freiheit. ...«

33 = [GOLDSMITH / Lit. 1, Seite 198] ... Es ist auch wichtig, die Bedeutung des Bewußtseins nicht zu überschätzen. Die Motivationsforschung hat entdeckt, daß sich ... die Menschen nicht über ihre grundlegendsten Motivationen bewußt sind. Die Gründe, die sie angeben, um ihr Handeln zu erklären, sind vor allem so angelegt, daß sie es am vernünftigsten erklären können. Es ist wirklich einer der grundsätzlichen Mängel der modernen Erkenntnistheorie, daß sie sich nur mit bewußtem Wissen beschäftigt und das unbewußte größere Bedeutung hat, weil es unsere Weltsicht prägt und unser Verhaltensmuster ... bestimmt.
 

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