Freiheit |
Im weiteren Sinne alles Handeln, das nicht auf innere oder äußere
Zwänge zurückzuführen ist, sondern auf den persönlichen
Wertmaßstäben beruht. Ausdruck wird von uns teilweise genauer
bestimmt verwendet (Launen-Freiheit,
Vernunft-Freiheit) |
Handlungseinschränkungen |
Der Wille benötigt einen »Weg« zur Handlung, der durch
die Kenntnisse und das Wissen, die Fähigkeiten und Möglichkeiten,
sowie die zur Verfügung stehenden Mittel eingeschränkt wird. |
Verdrängung |
Bestimmte Kenntnisse können angstvolle Stimmungen verursachen,
die überwunden werden, indem die Kenntnisse unbewusst unterbewertet
oder vergessen werden. |
Werte, Wertmaßstäbe |
Durch die Erziehung und die Umwelt erzeugte Grundeinstellungen, die
bestimmen, was man schätzt, was man für sinnvoll hält und
glaubt. Wertmaßstäbe geben Halt und begründen die persönlichen
Ziele. Alle Eindrücke werden bewusst oder unbewusst an den Werten
gemessen. Wir unterscheiden »Tugenden«, »Vorlieben«,
»Normen«, »Hohe Werte« und Glaube. |
Wille |
Der Wille ist der bewusste Vorsatz zu einer Handlung, die auf den unbewusst
wetteifernden Handlungsantrieben aus Zwängen und Freiheit und den
Willens-Einschränkungen entsteht. |
Willens-Einschränkungen |
Die Antriebe zum Handeln werden eingeschränkt durch Stimmungen
(wie z.B. Ängste), den Gesundheitszustand und die Lust zu der vorgestellten
Handlung. |
Zwänge, innere und äußere |
Zwänge verursachen Handlungen, die nicht auf unserer Freiheit
gründen. Innere Zwänge sind Grundbedürfnisse, Reflexe, Triebe
und Instinkte. Äußere Zwänge sind Sachzwänge, Fremdzwänge
und künstliche Bedürfnisse. |
... Die Vertreter der Industrien, die unseren Globus beherrschen,
scheinen bei all ihrer Intelligenz fest an ... ihre subjektiven Werte zu
glauben. Sie scheinen blind für zwei ... Tatsachen, die jedes Schulkind
begreifen kann: erstens, daß ein unbegrenztes Wachstum ... auf die
Dauer nicht möglich ist, und zweitens, daß kein Haushalt mehr
ausgeben kann, als er einnimmt. (Sie) ... glauben nicht an die
Wirklichkeit der Gefahren, die die Menschheit bedrohen, weil für sie
andere Dinge ... wichtig sind. ... [LORENZ
/ Lit. 1, Seite 220]
In den Diskussionen über das Verhältnis zwischen Mensch und
Umwelt wird vor allem das mangelnde Wissen der Bevölkerung über
ökologische Zusammenhänge angeführt. Hinzu kommt die Feststellung,
dass der Mensch offensichtlich dazu neigt, Wissen, das ihn überfordert
oder das Ängste auslösen kann, zu verdrängen oder zu vergessen[32].
Nach unserer Auffassung liegen dort jedoch noch
nicht die tiefsten Wurzeln menschlichen Handelns. Wie Sie unserem
Handlungsmodell vielleicht schon entnommen haben, stehen vor dem Wissen
der Wille und davor die »wetteifernden Handlungsantriebe« [33].
Anhand zweier Beispiele möchten wir dieses
Modell nun erläutern:
-
Nehmen wir an, ein »alter« Indianer verspürte Hunger (Innere
Zwänge / Grundbedürfnis). Er war jedoch zu diesem Zeitpunkt auf
Visionssuche* und musste das Verbot des Shamanen beachten, vor Ablauf von
drei Nächten nicht zu jagen (Äußere Zwänge / Fremdzwang).
Der Shamane hatte allerdings nur von der Jagd gesprochen und nicht vom
Sammeln. So legte der Indianer die Anweisung nach seiner persönlichen
Freiheit aus (Werte / Tugenden). Er hatte keine Angst, dass sich daraus
Nachteile für ihn ergeben würden (Willenseinschränkungen
/ Ängste), so dass sein Entschluss etwas Essbares zu suchen schließlich
feststand (Wille). Er kannte die Gegend, die vorherrschenden Pflanzen und
hatte ein gutes Messer, mit dem er sich einen Grabstock schnitzen konnte
(Handlungseinschränkungen). Dies alles veranlasste ihn, die Visionssuche
eine zeitlang zu unterbrechen (Entscheidung) und Richtung Fluss zu gehen
(Gewohnheiten), um dort zuerst nach Nahrung zu suchen (Handlung).
-
Nun nehmen wir als zweiten Fall an, ein leidenschaftlicher Autofahrer (Werte
/ Vorlieben) hat ebenfalls Hunger (Innere Zwänge / Grundbedürfnisse),
aber nichts Essbares im Haus (Äußere Zwänge / Sachzwänge).
Er überlegt, ob er in der fünf Kilometer entfernten Imbissstube
eine Pizza essen oder im Supermarkt an der Ecke etwas kaufen soll? Er weiß,
wo die Stube ist, er hat genug Benzin im Tank und ausreichend Geld im Portemonnaie.
Er müsste jedoch aus einem aktuellen Fernsehbericht wissen, dass der
motorisierte Verkehr der Hauptverursacher des zusätzlichen Treibhauseffektes
ist (Handlungseinschränkungen). Dennoch zögert er nicht, sich
ins Auto zu setzen und loszufahren (Wille), denn erstens denkt er nicht
über den Fernsehbericht nach (Ängste / Verdrängung) (í
Entscheidung), und zweitens haben es schon seine Eltern auf die gleiche
Weise gemacht, als er noch klein war (Gewohnheiten + Vorlieben).
Diese beiden Beispiele machen deutlich, wie alle diese Faktoren
eine Handlung beeinflussen. Im Falle des Indianers sind die Möglichkeiten,
Kenntnisse und Mittel weitaus eingeschränkter als bei dem modernen
Autofahrer. Dennoch hat auch er die Freiheit,
seine persönlichen Werte in die Entscheidung einfließen zu lassen!
Es ist dieselbe Freiheit, die auch den Autofahrer
letzten Endes nicht zwingt, so zu handeln wie er es schließlich tut.
Natürlich hat er viel umfangreichere und bequemere Möglichkeiten
als der Indianer, um an etwas Essbares zu kommen. Das erleichtert die Entscheidung.
Doch es sind an erster Stelle seine persönlichen Werte, die die Art
und Weise seiner Handlung entscheidend beeinflussen!
Wäre der Autofahrer beispielsweise ein überzeugter
Buddhist und würde die Erkenntnisse aus dem Fernsehbericht auf das
Leiden anderer Wesen beziehen, dann hätte er sich möglicherweise
für den Fußweg zum Supermarkt entschieden, um dieses Leiden
mit seiner Autofahrt nicht unnötig zu verstärken.
Noch ein weiterer Hinweis dürfte unsere Begründung bestärken:
Ein Kriminalbeamter fragt bei seinen Ermittlungen in erster Linie nach
dem Motiv und nicht nach dem Wissen des Täters. Und das Motiv - der
Beweggrund - kann man als »durch bewusste Überlegung begründeter
Wille, der die inneren Antriebe und die äußeren Umstände
ins Verhältnis setzt« beschreiben.
Natürlich sind sowohl unser Handlungsmodell, als auch die beiden
Beispiele stark vereinfacht, denn die Macht der Gewohnheiten, die Erziehung
oder die Erfahrungen lassen sich nicht so einfach durch ein einmaliges
Erlebnis (hier der Fernsehbericht) umwerfen. Zudem sind die Antriebe in
Wirklichkeit nicht scharf abgegrenzt und stark verflochten.
*) = Bei sehr vielen Stämmen
gingen junge Erwachsene für einige Tage allein in die Wildnis, um
dort durch Fasten, Meditation und Entsagung ihren Schutzgeist zu finden
Zitate
32 = [Zitat
Karl JASPERS,
aus THÜSEN
/ Seite 25 - 27] »... die Völker (werden) nicht innerlich
ergriffen von den ungeheuren Drohungen, die über ihnen schweben. Höchstens
haben sie einmal Angst, die, wenn es wieder gut gegangen ist, schnell vergessen
wird. Wenige spüren, wohin es mit der Freiheit der Menschen im eigenen
Staat und auf der Erde zu gehen droht. ... Die politische Freiheit wurde
nur in kleinen Umkreisen hervorgebracht. ... Aber überall ging sie
bald verloren. Die Realität der überwältigenden Mehrheit
der Völker und Staaten spricht gegen die Freiheit. ...«
33 = [GOLDSMITH
/ Lit. 1, Seite 198] ... Es ist auch wichtig, die Bedeutung des Bewußtseins
nicht zu überschätzen. Die Motivationsforschung hat entdeckt,
daß sich ... die Menschen nicht über ihre grundlegendsten Motivationen
bewußt sind. Die Gründe, die sie angeben, um ihr Handeln zu
erklären, sind vor allem so angelegt, daß sie es am vernünftigsten
erklären können. Es ist wirklich einer der grundsätzlichen
Mängel der modernen Erkenntnistheorie, daß sie sich nur mit
bewußtem Wissen beschäftigt und das unbewußte größere
Bedeutung hat, weil es unsere Weltsicht prägt und unser Verhaltensmuster
... bestimmt.
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