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Ebene 3 - Thema ausführlich: »Das Prinzip Vorsicht«
In Kapitel 1.2 haben wir versucht, eine ausgewogene Darstellung der Umstände zu verfassen, die unser modernes Leben bestimmen. Wir kamen schließlich zu der Feststellung, dass sich sowohl die guten, als auch die schlechten Seiten menschlichen Lebens in den letzten Jahrhunderten deutlicher ausgeprägt haben als je zuvor. Die beiden Seiten scheinen sich immer weiter voneinander zu entfernen; sowohl die Chancen, als auch die Risiken wachsen.
    Wer ein Welthaus plant, den sollte natürlich besonders interessieren, ob irgendwelche Gefahren im Erdreich lauern, um die richtige Art des Fundamentes wählen zu können. Einige Fakten lassen sich durch das Ausheben der Baugrube einwandfrei bestimmen, andere jedoch können nur abgeschätzt werden - aufgrund von Erfahrungen aus der Vergangenheit. Dennoch ist man niemals sicher vor unvorhersehbaren Ereignissen.
    Der vorausschauende Bauherr tut also gut daran, mit allen nur denkbaren Problemfällen zu rechnen und dementsprechend vorzusorgen. (Nehmen wir einmal an, die Kosten würden dabei keine Rolle spielen). 
    Wir nennen es das »Prinzip Vorsicht«. Es soll auch für unser Vorhaben uneingeschränkt gelten und beinhaltet:
  • Das langfristig vorausschauende und vorsorgende Denken und Handeln, 
  • das besonnene Abwägen von Nutzen und Gefahren, sowie von Alter nativen,
  • das Rechnen mit möglichen Wechsel- und Nebenwirkungen,
  • das ständige Bewusstsein der menschlichen Fehlbarkeit.
Eine weitere wichtige Tatsache sollte nicht nur dem Häuslebauer, sondern wirklich jedem Menschen bewusst sein: Ein Baum braucht viele Jahrzehnte, um groß zu werden; aber es dauert nur wenige Minuten, ihn zu fällen.
    Sie ahnen sicher, was wir mit diesem Satz ausdrücken möchten. 

Es erfordert wesentlich weniger Zeit, etwas zu zerstören, als etwas zu schaffen, zu ordnen oder zu gestalten. Es erfordert zudem mehr Tatkraft, mehr Überlegung, mehr Geduld, mehr Wissen und mehr Können.

Denken Sie doch einmal an Kleiderschränke, Kinderzimmer, Kellerregale oder an das letzte Festessen... - dann dürfte diese Behauptung wohl nicht angezweifelt werden.

Doch kann nicht »Schaffen« auch gleichzeitig »Zerstören« bedeuten? Oder vielmehr: Gehören Schaffen und Zerstören nicht zu einem wechselseitigen Vorgang, der zwangsläufig beide Gegenspieler benötigt?
    Da alles in irgendein übergeordnetes System-Gefüge eingebunden ist, hat auch jegliche Veränderung irgendwelche Auswirkungen auf diese Systeme. 

Wenn wir also etwas Neues schaffen, das unser Leben schöner, bequemer und angenehmer macht, dann müssen wir damit rechnen, dass dieser Eingriff in die natürlichen Systeme irgendwelche Folgen hat.

Wie sagt ein altes Sprichwort der Pueblo-Indianer Neu-Mexikos:
    Du kannst den Regenbogen nicht haben, wenn es nicht irgendwo regnet.[INDIANER / Seite 19] 

Das Wetter ist ein System, unser Körper ist ein System und die ganze Erde ist ein System - ein aus vielen aufeinander abgestimmten Einzelteilen zusammengesetztes, geordnetes, einheitliches Wirkungs-Gefüge, das auf diese Weise ein Ganzes bildet [1].

Wenn Sie jeden Abend am Computer sitzen, weil sie ein Buch schreiben, dann hat das Auswirkungen auf das System Ihres Körpers: Sie sind tagsüber müde, sie bekommen vielleicht Kopfschmerzen oder ein steifes Genick.

Und wenn der Mensch der Erde Bauxit entnimmt, um daraus Aluminium herzustellen, dann hat auch dies eine ganze Reihe von Auswirkungen auf das System Erde und viele seiner Untersysteme: Pflanzen und Tiere um die Fördergrube verschwinden, Abgase aus der Verhüttung und dem Transport belasten die Atmosphäre, Klärschlämme belasten Wasser und Boden und vieles mehr.
    Leicht findet man dutzende Beispiele für solche Systemveränderungen.

Es wäre nach unserer Ansicht naiv zu glauben, dass irgendeine Veränderung irgendwo auf der Erde - an unserem Körper oder sonstwo - ohne Auswirkungen bliebe. 
    Ob diese Folgen immer nur negativ sind und das jeweilige System bedrohen ist dabei natürlich eine ganz andere Frage!

Bereits vor über hundert Jahren erkannte der berühmte Nez-Percé Häuptling HIN-MOT-TOO-YAH-LAT-THEKT (bekannt unter dem Namen Chief Joseph) den unbändigen Veränderungsdrang des weißen Mannes, der heute in nahezu alle irdischen Systeme eingreift:

... Wir waren zufrieden, die Dinge so zu lassen, wie der Große Geist sie gemacht hatte. Die Weißen sind nicht zufrieden und ändern sogar den Lauf der Flüsse, wenn er ihnen nicht gefällt.[Zitat aus MCLUHAN / Seite 125]

Nun, diese Eigenart des Europäers hat unsere Welt zweifellos zu dem gemacht, was sie heute ist. Sie war der Antrieb dafür, immerzu nach Wegen zu suchen, unser Leben angenehmer zu machen. Wir müssen nicht mehr vor einem harten Winter bangen wie Häuptling Joseph, wir sind zum größten Teil unabhängig vom Wetter, wir können uns alles kaufen, was das Leben bequemer und abwechslungsreicher macht.
    Doch welchen Preis müssen wir dafür bezahlen? Welche Auswirkungen auf die natürlichen, jahrmillionen alten Systeme haben die gigantischen Veränderungen der Erde in den letzten hundertfünfzig Jahren gehabt; und welche werden sie noch haben? Die Zeiten, wo menschliches »Wirken« wie zum Beispiel im Mittelalter zu blühenden, artenreichen Kulturlandschaften führte, sind wohl endgültig vorbei. Zu viele Menschen, zu hohe Ansprüche, zu hemmungslos und gierig... 
    Droht uns eine weltumspannende Umwelt-Katastrophe oder ist das völlig übertriebene Angstmacherei? Oder ist es eine notwendige Folge des Fortschritts oder der Evolution, dass andere Arten dem überlegenen Menschen weichen müssen [2]?

Während die meisten Menschen in den Industriestaaten offensichtlich der »Normalität« der Gegenwart vertrauen und dem technologischen »Abenteuer Fortschritt« folgen, glauben einige Wissenschaftler darin einen Weg in die Katastrophe zu sehen. 
    Schauen wir uns dazu einmal drei Zitate an:

[ABOSCH / Lit. 1, Seite 129 - 130] ... Das Washingtoner Worldwatch-Institut hat im Januar 1992 konstatiert, daß »die ökologische Lage schlimmer denn je« sei; nur eine »Umweltrevolution« - die Umstellung des Energieverbrauchs von Kohle und Erdöl auf Sonne und Wind, eine Stabilisierung der Weltbevölkerung und ein neuer Lebensstil - könne Abhilfe schaffen. Die Verantwortung der Industriestaaten ist besonders groß, weil sie mit einem Viertel der Weltbevölkerung 85 Prozent der Rohstoffe verbrauchen. ... Die Diskrepanzen werden auf Dauer unerträglich, menschliche Katastrophen und weltpolitische Konflikte kündigen sich an, womöglich verschärft durch Atomwaffen, ... Dennis MEADOWS, Mitverfasser der »Grenzen des Wachstums« , behauptet, es sei bereits zu spät, weil sich »die Umweltbedingungen schon so verschlechtert« hätten, »daß wir bald nicht einmal die gegenwärtige Weltbevölkerung ernähren können. ... Die Menschheit verhält sich wie ein Selbstmörder, und es hat keinen Sinn mehr, mit einem Selbstmörder zu argumentieren, wenn er bereits aus dem Fenster gesprungen ist.« Ist es zu spät, um noch etwas tun zu können? ...

[GOLDSMITH / Lit. 1, Seite 263] ... die Vorstellung von Fortschritt ..., die wir mit wirtschaftlicher Entwicklung gleichgesetzt haben. Weit davon entfernt, ihre Forderung nach einer Verbesserung unseres Lebens zu erfüllen, bewirkt diese Entwicklung Veränderungen, die dazu führen müssen, daß unsere Umwelt und unsere Lebensweise immer stärker von den Bedingungen abweicht, an die wir durch unsere Evolution angepaßt worden sind. ... - Das ist ein Prozeß, der, wenn er lange genug zugelassen wird, letztendlich das Aussterben unserer Art bedeuten muß.

[WEIZSÄCKER / Lit. 1, Seite 220]... Der Traum von den billigen Rohstoffen ist irgendwann ausgeträumt. Wenn Erschöpfungserscheinungen entweder bei den Vorräten oder bei der Aufnahmekapazität der Umwelt für Emissionen und Abfälle eintreten und die Verbrauchstrends immer noch nach oben zeigen, kann es zu plötzlichen ... Preisexplosionen kommen. Diese treffen dann die Wirtschaft und vor allem die Armen weltweit verheerend. Voller Wut und Unverständnis wird man dann über unsere Generation sprechen, wenn wir es nicht geschafft haben, den im Eiltempo fortschreitenden Ressourcenverbrauch rechtzeitig zu steuern. ...

Erinnern Sie sich?: In Kapitel 1.2 haben wir Wert darauf gelegt, sachlich zu bleiben. Doch können Vorhersagen überhaupt sachlich sein? Zukunftsblicke sind im wahrsten Sinne des Wortes »Vorurteile« - das ist das Problem.
    Ist es angesichts der blühenden Wirtschaften nicht Hohn, von einer drohenden Katastrophe zu sprechen? Was kann man überhaupt sicher über die Zukunft sagen, wenn nicht einmal Aussagen über die Gegenwart wirklich sicher sind?
    Wir haben uns noch einmal unsere Spielregeln vergegenwärtigt und bemüht, im folgenden so sachlich wie möglich den »schlechten Seiten« dieser Welt auf den Grund zu gehen. 
    Was ist dran an der Katastrophentheorie?
 
 
 

Zitate

1= [LASZLO / Lit. 2, Seite 74] ... Die ganze Natur ist aus systemwissenschaftlicher Sicht ein Bereich komplexer, fein ausgewogener Organisation. Systeme stehen in Verbindung mit anderen Systemen und bilden gemeinsam Suprasysteme. ... Gemeinsame Merkmale manifestieren sich in den unterschiedlichsten Formen auf jeder der vielen Stufen. Bestimmte Eigenschaften sind in stetiger Gliederung einander über- und untergeordnet, wobei sich die höheren nicht auf die niederen reduzieren lassen. ...
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2= [Zitat Rigoberto Queme CHAY, aus BMAG / Seite 52] ... Umweltzerstörung ist keine Folge menschlichen Fortschritts, sondern vielmehr ein Merkmal bestimmter Wirtschaftsentwicklungsmodelle, die in ökologischer Hinsicht nicht regenerierbar, unausgeglichen und sozial ungerecht sind. ...
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