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Ebene 3 - Thema ausführlich: »Alternative ökologische Bewegung, Teil 2« |
Was können wir über die Welt wissen?
In den Grundaussagen zur Entstehung des Universums stimmt die ökologische Wissenschaft mit den Theorien der Physik und der Biologie überein, bzw. sind diese Fragen nicht Gegenstand der Ökologie. Die Welt wird jedoch nicht mehr so scharf in unbelebt und belebt getrennt. Die um ein vielfaches komplexere und schwieriger auszuwertende Datenmenge von Freilandbeobachtungen lässt sich nicht so klar auswerten wie bei begrenzten, rein biologischen Fragestellungen. Ein überschaubares Modell war nötig, um die Ergebnisse in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen. So arbeitet die Ökologie heute Hand in Hand mit der Systemwissenschaft, die Modelle für alle denkbaren Gefüge von miteinander wechselwirkenden Teilen bietet. Wie wird nun die (lebendige) Welt erklärt? Die Evolution wird als
lückenlose Entwicklung von einfachen Systemen
(wie Atomen) zu hochkomplexen Systemen (wie Menschen) beschrieben, die
keinesfalls als getrennt wirkende Einheiten betrachtet werden dürfen,
da jedes System andere Systeme maßgeblich beeinflußt. Daraus
folgt auch die zwingende Einbeziehung menschlicher Tätigkeiten, die
ja vielerlei Systeme beeinflussen!
Während Physiker isolierte Teilchen untersuchen, Mathematiker abstrakte Formeln ersinnen und Biologen Schmetterlinge untersuchen - versuchen Ökologen im Bewußtsein der physikalischen Umweltbedingungen und mit Hilfe der statistischen Mathematik den Schmetterling und alle anderen Lebewesen eines Ökosystems zueinander in Beziehung zu setzen. Sie versuchen Gesetzmäßigkeiten des Zusammenlebens darin zu erkennen; um schließlich den Umwelt- und Naturschützern Gründe zu liefern, die Politiker zu warnen, dass ein unbedachter Eingriff in dieses System schlimme Folgen haben kann. Die Lehrmeinung der alten ökologischen Schule vertrat die Auffassung, dass nicht das selbstsüchtige Gegeneinander im Daseinskampf das beherrschende Prinzip in der Natur sei - wie es die Neo-Darwinisten einschätzten -,sondern das eigennützige Miteinander [63]. Das ist natürlich manchen Wirtschaftsleuten ein Dorn im Auge, da es im Widerspruch zu einem der Leitsätze der modernen Wirtschaft steht, der besagt: »Konkurrenz belebt das Geschäft«. (Zur Erinnerung: »Selbstsucht« ist nach unserer Definition der Antrieb für Handlungen, die Andere schädigen können. »Eigennutz« dagegen bedingt ein Verhalten, dass für einen selbst und Andere förderlich ist.) Nach dem bereits erwähnten Bruch in der ökologischen Wissenschaft
führten die Anhänger der alternativen ökologischen Bewegung
die Gedanken der alten Schule fort und unternahmen unbeirrt den Versuch,
alle Geschehnisse miteinander in Beziehung zu setzen.
Ist der Mensch gut oder böse?
Warum soll ich kein Gift verspritzen, wenn ich dadurch einen doppelt so hohen Ertrag habe? Warum soll ich mich darum kümmern, ob irgendjemand von dem Gift krank wird? Warum soll ich auf meinen Vorteil verzichten, wenn er doch legal ist? Können wir unser Handeln frei bestimmen?
Können wir die Welt oder die Menschen ändern?
Wenn ja: Wie können wir etwas verändern?
Gibt es eine richtige Art zu leben?
Was können wir über die Zukunft wissen?
Kritische Fragen
*) =
Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoff-Verbindungen, die die Ozonschicht der Erde
schädigen
Zitate 63 = [GOLDSMITH
/ Lit. 1, Seite 112 - 113] ... In den 1940er Jahren sahen Gerard und die
anderen Mitglieder der ökologischen Schule aus Chicago die Natur so,
daß sie moralische Anregung bot. Die Natur, die sie sahen, war grundsätzlich
eher kooperativ als »rot an Zähnen und Klauen« ...
64 = [BERG
/ Lit. 1, Seite 5 - 6] ... Das naturwissenschaftliche, auf technischen
Fortschritt abzielende Denken hat sich immer auch auf das Funktionieren
der Technik als Beweis für die Richtigkeit bzw. Wahrheit ihres Vorgehens
berufen. Heute stellt sich in zunehmendem Maße heraus, daß
dieses Funktionieren lediglich in einem eng begrenzten Rahmen zutrifft.
Industrielle Maschinen oder solch ein Alltagsgegenstand wie ein Auto funktionieren
nur in sich, nicht jedoch im Gesamt der Natur (Ökologie),
... Nur im 'Weghören' von Natur (als Gesamtbestand) kann
diese Wirksamkeit noch als 'natürliche'
(zweckrichtige) 'Reaktion'
verstanden werden. ...
68 = [Zitat
Hans KÜNG,
aus THÜSEN
/ Seite 67] ... Schlimm ist, das offensichtlich keine naturwissenschaftlichen
Gründe beigebracht werden können, die in quasi-automatischer
Logik erzwingen, daß eine Politik der Nachhaltigkeit unbedingt betrieben
werden müßte. Auch Vertreter einer nachhaltigen Entwicklung
haben erkannt, daß es sich hier um eine ethische Entscheidung handelt:
Die Notwendigkeit, bestimmte erhaltenswerte Elemente der Umwelt und bestimmte
Lebensbedingungen auszuwählen, lassen sich weder rein ökonomisch
noch rein ökologisch begründen. ... In einem Satz: Nachhaltigkeit
ist »weder ein ökonomisches noch ein ökologisches, nicht
einmal ein wissenschaftliches Konzept, sondern eine ethische Forderung«
(O.
Renn). ...
69 = [ABOSCH
/ Lit. 1, Seite 127] ... Das herrschende Lustprinzip ist kurzfristig orientiert,
weigert sich, die Zukunft in Betracht zu ziehen. Als der Club of Rome vor
zwei Jahrzehnten Alarm schlug, wurde dies zunächst kaum ernst genommen,
vielfach auch als übertriebener Angstschrei besonders sensibler Seelen
belächelt. Das hat sich inzwischen geändert, mit Ironie wird
heute dieser Thematik niemand mehr begegnen. ...
70 = [Zitat
Joachim Radkau - dt. Prof. für Technik-Geschichte, aus WOCHE-5.2
/ Seite 15] ... die sich seit den 70er Jahren weltweit ausbreitende Öko-Bewegung
zeichnet sich im Vergleich zur Naturromantik älteren Typs eben nicht
durch pauschale Wissenschafts- und Technikfeindlichkeit aus, sondern umgekehrt
durch ein ausgeprägtes Interesse an Naturwissenschaft und Technik.
Natur-Normen werden nicht mehr ästhetisch, sondern ökologisch
begründet. Auf industrielle Umweltschäden reagiert man nicht
mehr mit Weltschmerz, sondern mit der Suche nach technischen Alternativen.
...
71 = [GOLDSMITH
/ Lit. 1, Seite 97 - 95] ... Die Subjektivität all der verschiedenen
Fachgebiete, in die wir das moderne Wissen unterteilt haben, ist ... deutlich.
Ihre Funktion besteht vor allem darin, verschiedene Aspekte des Unternehmens
der ökonomischen Entwicklung oder des Fortschritts, das unsere Gesellschaft
so entschlossen betreibt, rational zu erklären und damit zu legitimieren.
... Wissenschaftliches Wissen dient ... dazu, ... die Weltsicht des Modernismus
zu rationalisieren. Nur auf dieser Grundlage ergibt ökonomische Entwicklung
oder Fortschritt Sinn. ... Es gibt (jedoch auch) keinen Grund
anzunehmen, daß ökologisches Wissen ... irgendwie objektiver,
weniger wertbeladen oder weniger zweckmäßig ist. Es ist oder
sollte zweck voll angelegt sein, um die ökologische Weltsicht und
die damit verbundene ökologische Gesellschaft rational zu erklären.
...
72 = [WEIZSÄCKER
/ Lit. 1, Seite 11] »Die Grenzen des Wachstums« waren der berühmteste
Bericht an den Club of Rome (Anm.: 1972) ... Mit einem Computermodell
wurden gi gantische Zusammenbrüche vorausgesagt, wenn sich nichts
Entscheidendes ändert. ... Inzwischen hat man zwar viel mehr Rohstoffe
aufgestöbert, aber damit nähert man sich nach dem Modell bloß
der noch schlimmeren ... Situation. Denn die verhängnisvolle Dynamik
ist geblieben. ... Alle setzen auf Wachstum, Industrie- und Entwicklungsländer,
(blühende)
wie notleidende Wirtschaften. Das Thema Umwelt ist weggerutscht. Wer ökologisch
Alarm ruft, wird als Schwarzmaler und Wachstumsgegner bekämpft. Alarmrufe
sind nur noch bei Wirtschaftsthemen gestattet, bei Arbeitslosigkeit, Staatsfinanzen
oder »Standort Deutschland«. Und die Medizin für alle
drei heißt natürlich: Wachstum.
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