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Ebene 3 - Thema ausführlich: »Das Wenn und Aber«
... Ohne Zweifel muß das alarmierendste Beispiel für die Fehlanpassung unseres Erkenntnisvermögens unser Versagen sein, die ... globalen Umweltprobleme zu begreifen, denen wir gegenüberstehen... Nur eine winzige Minderheit unserer Akademiker - ganz zu schweigen von unseren Industriellen oder Politikern - zeigt ein gewisses Interesse an all diesen erschreckenden Problemen... [GOLDSMITH / Lit. 1, Seite 289 - 290]

Erklärt diese Einschätzung von Edward GOLDSMITH den wahren Grund der gefährlichen Lage, in der wir uns heute befinden? Fehlt den meisten von uns ganz einfach die Fähigkeit des umfassenden Begreifens [48]? Schützt uns unser Verstand am Ende auch nicht vor dem Schicksal all der Tierarten, die schon ausgestorben sind? Fehlt uns vielleicht heute die notwendige Auslese der natürlichen Evolution, die unsere Fähigkeiten im Einklang mit der Natur halten würde? Oder haben wir den Überlebensinstinkt zugunsten anderer Erfahrungsbereiche vollkommen verdrängt? 
    So spöttisch klangen die drei Wuppertaler Wissenschaftler nicht. Sie hatten zwar auch Einschätzungen geliefert, die bedenklich stimmten, aber der Schwerpunkt ihrer Entgegnungen lag eindeutig auf den vielfältigen Auswegen. So könnte man - vordergründig - den Eindruck gewinnen, dass doch alle Tore zum »Gelingen der Zukunft« weit geöffnet seien. Es sieht tatsächlich so aus, denn für jedes erdenkliche Problem gibt es eine ganze Reihe von Lösungsansätzen...
    Doch bei allen Antworten findet sich immer ein unscheinbares Bedingungswort: - Wenn wir es schaffen; - falls die Möglichkeiten umgesetzt werden; - aber dies gilt nur unter der Voraussetzung, dass ...

Als wir diese Bedingungen mit einbezogen, mussten wir bei näherer Untersuchung sowohl den Worten unserer Interviewpartner, als auch der Literatur entnehmen, dass wir noch sehr weit davon entfernt sind, irgendeines der großen Probleme tatsächlich lösen zu wollen! Sie haben richtig gelesen, es geht offensichtlich nicht so sehr um das Können, Sollen oder Dürfen, es geht vor allem um den Willen, etwas zu verändern [49].
    Dies wirft natürlich viele Fragen auf - Unverständnis und ratlose Gesichter, denen wir uns in Kapitel Fünf noch ausführlich widmen werden. Vorerst möchten wir dieser Aussage nur einige unkomplizierte Denkanstöße hinzufügen. Nehmen Sie die folgenden Fragen als Anregungen, um tiefer in das Problem einzudringen, es in Gedanken zu umkreisen, zu erkunden und abzustecken - vorläufig. Später können Sie dann vergleichen, ob Sie zu denselben Schlussfolgerungen gelangt sind wie wir:

  • Stehen nicht Gefühle - Begeisterung, Zuneigung, Angst, Verzweiflung u.s.w. - grundsätzlich vor dem Willen, etwas zu tun? Können wir vielleicht unsere Gefühle zur Natur nicht mehr richtig empfinden, weil uns gesunde Natur immer fremder geworden ist [50]?
  • Oder ist der Wille eines modernen Menschen in jeder Hinsicht vorrangig mit seinem Portemonnaie verknüpft [51]?
  • Hat uns der Überfluss an Dingen und Informationen süchtig gemacht, so dass das Konsumieren an erster Stelle steht und alles andere schlichtweg verdrängt wird [52]?
  • Oder ist es mangelnde Phantasie, die uns unfähig macht, andere Wege zu gehen als die alltäglich gewohnten [53] [54]?
  • Passen die Grundlagen unserer Gesellschaft - Demokratie, Eigenverantwortung, freier Markt u.s.w. -, wirklich zur wahren menschlichen Natur? Sind diese Dinge tatsächlich immer vorteilhaft für die Allgemeinheit? [55] [56] [57]?
  • Ist unsere Gesellschaft mittlerweile zu verwickelt, zu unübersichtlich, zu aufgeteilt, um sie noch als Ganzes zu begreifen? Ist es diese mangelnde Übersicht, die den Willen zur Veränderung hemmt [58]?
  • Ist unsere Selbsteinschätzung gegenüber der Natur so anmaßend hoch, dass wir selbstverständlich davon ausgehen, trotz aller gefährlicher Entwicklungen alles im »Griff« zu haben [59] [60] [61]?
  • Sind unsere bestimmenden Werte immer noch vom nie endenden Wachstumsdenken der Nachkriegszeit geprägt, so dass gegenläufige Erkenntnisse nur langsam in unser Bewusstsein dringen und noch keinen Willen zu durchgreifenden Veränderungen zulassen [62]?


Sie sehen, dort wo Welthäuser entstehen sollen, geht es ganz schön gefährlich zu: Da ist unser »Prinzip Vorsicht« [Kap. 3.1] sicher eine der besten Handlungsanweisungen! Welche Schlüsse kann man nun daraus für unsere Zukunftsfähigkeit ziehen?
 
 

Zitate

48 = [DAVIES / Lit. 1, Seite 23] ... Sollten wir ... dem menschlichen Denken mißtrauen? Sind wir übermäßig chauvinistisch oder engstirnig, wenn wir annehmen, wir könnten das Gedankenmuster des Homo sapiens erfolgreich auf die großen Seinsfragen anwenden? Nicht unbedingt. Unsere Denkprozesse haben sich gerade so entwickelt, wie sie sind, weil sie etwas vom Wesen der Welt widerspiegeln, in der wir leben. Das menschliche Denken vermittelt erstaunlich erfolgreich ein Verständnis für jene Teile der Welt, die unserer Wahrnehmung nicht direkt zugänglich sind. Es überrascht vielleicht nicht, wenn der menschliche Verstand die Gesetze herleiten kann, die für fallende Körper gelten, weil das Gehirn Strategien entwickelt hat, wie wir ihnen ausweichen können. Aber haben wir das Recht zu erwarten, dass sich diese Denkweisen auch bewähren, wenn es zum Beispiel um Kernphysik oder Astrophysik geht? ...
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49 = [Zitat Hans KÜNG, aus THÜSEN / Seite 69] ... Schon bei der UN-Konferenz ...in Rio de Janeiro (1992) wurde deutlich: Dieser Umweltgipfel hat zwar eine durchaus zukunftsweisende Agenda für eine nachhaltige Entwicklung und eine Klimakonvention verabschiedet. Aber was nützt dies, wenn bisher kein einziger Staat bereit war, die dort durchaus einvernehmlich verabschiedete Erklärung konsequent in praktische Politik umzusetzen? Hier fehlt ... der ethisch-politische Wille zum Handeln. ...
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50 = [BERG / Lit. 1, Seite 28] ... Die ... Anwesenheit von Natur zeigt sich uns heute vor allem in der Weise zerstörter Umwelt und durch 'aus der Bahn geratene' Formen der sinnlichen Wahrnehmung, in der Weise des Heuschnupfens genauso wie in der der nurmehr durch hochkomplizierte Apparate übersetzten wissenschaftlichen Naturkenntnis. ...
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51 = [Zitat Meyer, aus WWF-JOURNAL / Seite16] ... Jetzt muß ein neuer Versuch unternommen werden. Zwar haben inzwischen einige EU-Länder verschiedenste Öko-Steuern eingeführt. Volle Wirkung werden sie jedoch erst entfalten können, wenn es zu europaweiten Ansätzen kommt. Es steht außer Frage: Ohne zusätzliche Besteuerung von Energie beziehungsweise des Ausstoßes von Kohlendioxid wird es im zweitgrößten Wirtschaftsblock der Erde keine wirksame Klimapolitik geben.
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52 = [ABOSCH / Lit. 1, Seite 124] ... Die entwickelten Industriegesellschaften - Systeme hoher Produktion und Konsumtion - verschaffen ihren Bürgern einen noch nie gekannten Le bensstandard, reichlichen Genuß und üppigen Komfort. Solche Bedingungen fördern nicht gerade geistige Wachsamkeit. Die Wähler nicht durch sorgenvolle Probleme verschrecken, sie statt dessen mit beruhigenden Parolen in den Schlaf wiegen: das wird zur Grundregel der Parteien. Um so intensiver geben sie sich Vordergründigem hin, werden bloße Apparaturen zur Sicherung von Macht und Einfluß. ...
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53 = [GOVINDA / Lit. 1, Seite 190] ... Denn schon dem Kinde wird die Möglichkeit genommen, seine Phantasie zu entfalten, indem es perfektes Spielzeug erhält, das die sogenannte Wirklichkeit in jedem Falle nachahmt. Darüber hinaus wird es durch Radio und Fernsehen schon früh an eigener schöpferischer Phantasiebetätigung gehindert. ...
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54= [Zitat Marcos TERENA, aus BMAG / Seite 64 / 66] ... Was bedeutet es, zivilisiert zu sein? Was heißt es, reich zu sein? Was besagt es, entwickelt zu sein? ... / ... Entwicklung ist für uns, die Familie der indigenen Völker, nicht nur eine materielle, sondern auch eine spirituelle Frage. Stets versuchen wir, auf dem schmalen Pfad zwischen Materie und Spiritualität zu bleiben. ...
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55 = [GOLDSMITH / Lit. 1, Seite 16] ... Es schien mir ... immer anmaßend, so etwas wie eine Weltsicht einer Idealgesellschaft zu postulieren, für die es kein Beispiel in der menschlichen Erfahrung. ... gibt und deren biologische, soziale und ökologische Lebensfähigkeit nie aufgezeigt worden ist. Wenn Karl Marx diesen Fehler gemacht hat, so machen ihn auch die heutigen Experten für ökonomische Entwicklung oder Fortschritt, die versuchen, eine menschengemachte technologische Welt zu erschaffen, ohne sich selbst zu fragen, ob wir in der Lage sind, uns an sie anzupassen ...
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56 = [Zitat T.S. Eliot - am Schriftsteller, aus GOLDSMITH / Seite 279] »Die Tendenz eines unbegrenzten Industrialismus besteht darin, Männer- und Frauenmassen zu schaffen - von der Tradition abgelöst, der Religion entfremdet und anfällig für Massensuggestion*, mit anderen Worten, einen Mob. Und ein Mob wird nicht weniger ein Mob sein, wenn er gut gefüttert, gut gekleidet, gut untergebracht und gut diszipliniert ist.« 
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57 = [GOLDSMITH / Lit. 1, Seite 370] ... Freier Handel klingt sehr wünschenswert. Seine Befürworter lassen es so aussehen, daß er das unterdrückte Individuum von ... Fesseln befreit, ... Aber das multinationale Unternehmen ist das »Individuum«, das vom freien Handel profitiert, und die Freiheit, die es gibt, ist die Freiheit, Urwälder abzuholzen, um Sperrholz ... (oder) Toilettenpapier ... herzustellen. Es ist die Freiheit, Ackerflächen zu erodieren, zu versalzen, mit Wasser zu überschwemmen, zu verdichten und zu verwüsten, um so die billigen Rohstoffe für die Nahrungsmittelindustrie zu erzeugen. Es ist die Freiheit ... Es ist die Freiheit ... Es ist die Freiheit (u.s.w.) ... Das ist die Freiheit, die freier Handel bietet, und das sind die Interessen, denen die derzeitigen GATT-Vorschläge (Anm.: General Agreement on Tariffs and Trade) dienen sollen. Wenn sie gebilligt werden, wird die Welt ihren Plünderern auf dem Tablett serviert, damit sie mit ihr machen, was sie wollen. ...
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58 = [Zitat Nicholas Hildyard - am. Ökologe, aus GOLDSMITH / Seite 327] »... Seziere eine Gemeinschaft, und sie wird wie ein sezierter Körper schließlich sterben. ... Genau das tun wir heute. Arbeit gehört ins Industriegebiet, Spiel aufs Spielfeld, Freizeit in das Freizeitzentrum, Schlafen und Essen in die Wohnsiedlung, Einkaufen ins Einkaufszentrum, Altwerden ins Altersheim, Kranksein und Sterben ins Krankenhaus, Reichsein in jene Gegend und Armsein in die andere. ...«
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59 = [Zitat HIN-MOT-TOO-YAH-LAT-THEKT, aus BROWN / Seite 308] ... Die Erde wurde mit Hilfe der Sonne erschaffen, und sie soll so bleiben, wie sie war ... Das Land wurde ohne Grenzen erschaffen, und es steht den Weißen nicht zu, es zu teilen ... Die Erde und ich sind gleichen Sinnes. Die Maße des Landes und die Maße unseres Körpers sind die gleichen. ...
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60 = [Zitat LAO TSE, aus GOLDSMITH / Seite 404] ... »Denkst du, du kannst die Welt nehmen und sie verbessern? Ich glaube nicht, das dies geht. Die Welt ist heilig. Du kannst sie nicht verbessern. Wenn du versuchst, sie zu verändern, wirst du sie zerstören.« ... 
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61 = [GOLDSMITH / Lit. 1, Seite 185] ... Heute erzeugen wir in der belebten Welt, in der wir leben, die drastischsten Veränderungen, die möglich sind, und unsere Wissenschaftler haben keine Hoffnung, die Konsequenzen vorherzusehen, denn die ... (Methode), ... erlaubt ihnen nicht, die Auswirkungen dieser Veränderungen auf die ... (irdische) Hierarchie insgesamt zu verstehen. ...
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62 = [LASZLO / Lit. 2, Seite 95 - 96] ... mit dem Aufstieg der modernen Naturwissenschaften und dem Erwerb neuer Produktionsmethoden wurde die Ideologie gerechter Vertei lung durch die Ideologie des Wachstums ersetzt. ... Wir können die Pro-Kopf-Produktion unmöglich bis ins Unendliche steigern. Es ist nicht einmal möglich, den gegenwärtigen Lebensstandard in Amerika und Westeuropa auf die übrige Welt zu übertragen. Es können nicht alle Bewohner unserer Erde so leben wie der westliche Mensch heute lebt, dafür ist die Erde einfach nicht reich genug. Für die Anhänger des Wachstumsglaubens ist das etwas völlig Neues. Der Fortschritt kann nicht in »immer mehr und immer größer« bestehen, er muß neu definiert werden. Das bedeutet: Wir brauchen eine neues Wertesystem. Aber wo sind die Fundamente, auf denen es errichtet werden könnte? ...
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*) = Unbemerkte Beeinflussung des Verstandes von großen Bevölkerungsteilen
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